Stoibers Vermächtnis

Abschiedsrede Seine letzte Lektion

Ob er im Garten eine Blume "hinrichtete" oder Sabine Christiansen mit "Frau Merkel" verwechselte (und kongenial die Moderatorenrolle der künftigen Kanzlerin vorwegnahm), ob er in valentinesker Manier den Transrapid in zehn Minuten vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen Franz-Josef-Strauß fahren oder seine Frau es mit dem Gärtner machen ließ: An alles hatten wir uns bei Edmund Stoiber gewöhnt. Bei Edi the Eagle gab es nichts, was es nicht gibt.

Doch jetzt erteilte er uns doch noch eine letzte Lektion. Ausgerechnet bei seinem letzten Heimspiel am längsten Stammtisch der Welt in Passau zog der bayerische Noch-Ministerpräsident noch einmal blank und zeigte allen, wes Geistes Kind der deutsche Konservatismus zukünftig missen muss. "Ich habe es für wohltuend empfunden, dass die Bundeskanzlerin gegenüber dem amerikanischen Präsidenten Breschnew Guantanamo kritisiert hat", brach es plötzlich aus ihm heraus. Deutlicher als mit diesem Ausspruch hätte wohl nicht zum Ausdruck kommen können, aus welchen tiefen Räumen der Politiker Stoiber wirklich kommt, lebt und denkt. "Breschnew", geboren 1906, gestorben 1982, davon die letzten 18 Jahre Parteichef der KPdSU, - ein Name, der der Generation Bätzing, geboren 1975, nicht einmal aus dem Geschichtsbuch geläufig sein dürfte. Damals kämpfte man nicht gegen das Rauchen im Auto, sondern noch gegen den leibhaftigen kommunistischen Gottseibeiuns.

All das muss in diesem Augenblick in Edmund Stoiber wieder hoch gekommen sein. Wenn in bald 60 Jahren je das Unbewusste aus einem deutschen Politiker gesprochen haben sollte, hier war es der Fall. Hier zeigte sich der bayerische Ministerpräsident noch einmal ganz in alter Form, als Kreuz des Südens, als echter Ostlandfahrer. Und vielleicht war es sogar, Gott hab ihn selig, des Redners unvergessener Vorgänger, der sich hier noch einmal durch seinen ewigen Aktentaschenträger zu Wort melden wollte.

Gleichzeitig wurde aber auch die ganze Konfusion deutlich, in welcher sich dieser Mann befindet. Wer wollte es Stoiber auch verdenken, dass er derzeit ein wenig die Orientierung verliert - angesichts seiner immer moderner werdenden Partei, die an keiner Lebenslüge vorbeikommt, ohne sie brutalstmöglich aufzudecken, die mit der heiligen Familie bricht und jetzt sogar Alpha-Männchen weiblich werden lässt.

Deshalb musste der alte Kalte Krieger Edmund Stoiber am Tag der eigenen Endlichkeit, an seinem Aschermittwoch, noch ein letztes Mal die unverbrüchlichen Wahrheiten diesseits des Weißwurstäquators gerade rücken. Kam nicht Breschnew tatsächlich vor Bush? Lag der Gulag nicht immer schon vor Guantánamo? Karl Marx ist tot, aber Ernst Nolte lebt (noch)!

Und wir anderen werden uns alle noch wundern, was wir wirklich mit Edmund Stoiber, dem letzten Konservativen, verlieren. Jetzt, da er gerade wieder kommt, der "Kalte Krieg", schenkt man den Propagandisten des Gut und Böse Glauben. Wo aber winkt uns Hoffnung? "Edmund Stoiber ist 65, aber fit und munter", so schließt seine Rede. Nehmen wir es als ein Zeichen: Ein Licht im Tunnel bleibt immer. Denn schließlich konnte ihm jüngst im Kreml auch keiner sagen, warum er nun gerade gehen müsse. Nicht Putin - und Breschnew schon gar nicht.


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