Es ist Zahltag

Theater Mit Ewald Palmetshofers „räuber.schuldenreich“ beginnt am Schauspiel Frankfurt die Saison
Ausgabe 37/2018

Die Söhne haben sich angekündigt, die Eltern geraten in Panik. Sie ahnen, dass es nicht gut ausgehen wird. Nervös nestelt die Frau ihrem Mann am Ohr, die Schultern hängen, schreckhaft sind sie in jedem Moment. Sie wissen, dass der Zahltag bevorsteht. Dass die Söhne, Karl, der Erstgeborene, der Hochgewachsene, und Franz, „der mit der Brille“, ihren Anteil fordern werden: das „Geld der Zukunft“, das Erbe, das ihre Not lindern soll.

Doch viel ist ja gar nicht mehr zu holen. Was einmal da war, ging drauf für das Haus. Ihr Vater ist kein Graf mit Hofstaat, sondern selbst ein armer Schlucker. Nur lose und abstrakt orientiert sich Ewald Palmetshofer an Schillers Schlüsselwerk über die Brüder Karl und Franz Moor.

Der österreichische Dramaturg, Jahrgang 1978, begreift sein Stück vielmehr als Erzählung über den Spätkapitalismus, als Kommentar zum Generationenkonflikt. 2012 wurde es unter dem Titel räuber.schuldengenital am Wiener Burgtheater uraufgeführt, die nur in Nuancen umgeschriebene „Frankfurter Fassung“ hat Palmetshofer in räuber.schuldenreich umgetauft. Es ist eine arg düstere Anti-Utopie, die da zur Saisoneröffnung in den Kammerspielen des Frankfurter Schauspiels auf die dunkelschwarze Bühne von Falko Herold kommt. Kohlenstaub liegt auf dem Boden, Rauch in der Luft, dahinter ein paar Müllsäcke. Immer mal wieder wird eine verdreckte Küchenzeile in die Szene geschoben, darüber brennt grelles Neonlicht. Petra, die Tochter der Nachbarin, sitzt dann auf der Spüle, sie trägt neongrüne Strümpfe, billige Sandalen und einen Oversize-Sweater, die Haare blondiert und toupiert. Von der Mutter, die im Rollstuhl sitzt, wird sie gequält, blutig gebissen. Endzeitstimmung, ausweglos. Dazu läuft Abba im Zeitlupentempo: „Money, Money, Money in a rich man’s world.“ Ein wenig Ablenkung bringt höchstens schneller, routinierter Sex. Doch selbst der wird von ökonomischer Begrifflichkeit dominiert: Wenn Linde, die Mutter der ungleichen Brüder, mit ihrem Mann Otto schläft, dann besteigt sie den Schuldenberg. Dem Vorwurf, dass das zeitgenössische Theater zu wenig für die soziale Frage brenne, wollen dieses Stück und diese Inszenierung sich nicht aussetzen.

Nicht gegen das System

Palmetshofers Text verwebt vulgären Slang mit lyrischen Sätzen, auf den Fluch folgt gar nicht so selten sprachliche Schönheit. Regisseur David Bösch, bekannt als Spieler mit wuchtigen Bildern, schafft diesmal eine karge Inszenierung. Darin setzt er ganz auf seine Darsteller: Heidi Ecks und Peter Schröder als eingespieltes Ehepaar zeigen eindrucksvoll, wie die Unsicherheit von ihnen Besitz nimmt, Fridolin Sandmeyer und Isaak Dentler als Karl und Franz erscheinen als zynisch-larmoyantes Ganoven-Brüder-Paar. Die Darsteller machen ihre Sache überzeugend, auch wenn es gelegentlich ins allzu Überdeutliche kippt.

Am Ende steht die Katastrophe. Als „der Geldmann“ pünktlich zum „Monatsersten“ mit der Rente der Eltern kommt, wollen Karl und Franz ihm nicht nur diese, sondern alles Geld, das er bei sich hat, abnehmen. Ein Messer wird gezückt, eine Pistole, ein zweites Messer. Petra verbündet sich mit den Brüdern, gemeinsam greifen die Jüngeren die Elterngeneration an. Als Schattenriss sieht man, wie sie gegen ihre Opfer losschlagen. Nicht gegen den Kapitalismus, die Politik oder ein System richtet sich ihre Wut, sondern gegen die Alten.

Info

räuber.schuldenreich Regie: David Bösch Schauspiel Frankfurt

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