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Die anale Prägung der Deutschen, so Lewis in seinem Text, der sich mit der Rolle Deutschlands im globalen Finanzwesen befasst, sei nicht zuletzt auf „ungewöhnliche Wickeltechniken“ zurückzuführen, die deutsche Säuglinge zu langen Phasen des
Schmorens
in
ihren
eigenen
Exkrementen
verurteilten.
Traumata
dieser
Art hätten
der
deutschen Seele einen krankhaften Sauberkeitswahn eingepflanzt, der auch ihren historischen Hang zu mörderischer Rassenhygiene erkläre. Die psychologische
Kehrseite
sei
allerdings
eine
verdruckste
Liebe
zur
Fäkalie,
die
auch
Adolf Hitler geteilt habe, der sich von Eva Braun – Nomen est Omen – am liebsten habe ankoten lassen. Hitler habe demnach die deutsche Quintessenz verkörpert: einen
Sauberkeitsfimmel,
hinter
dem
sich
ein
Fäkalienfetisch
verborgen
habe.
Als
Beleg
für
diesen
Fetisch
reicht
Lewis
ein
schneller
Blick
auf
die
deutsche
Sprache, in
der
sich
die
Fäkalienliebe
in
einer
Flut
von
Begriffen
und
Redewendungen
mit
analer Konnotation manifestiere: Bescheißen, Kackwurst, Scheißegal, Leck mich am Arsch, Klugscheißer
und
so
weiter
–
eine
Liste allerdings,
die
man
nach
Belieben
auf
Englisch
weiterführen könnte: „to shoot the shit“ (plaudern), „up shit creek“ (j.w.d.), „to get shitfaced“ (sich betrinken), „don’t shit where you eat“ (keine Affären mit Kollegen), „to get your shit together“
(sich
zusammenreißen),
„in
the
middle
of
a
shit
storm“
(in
schwieriger
Lage), „to kick the shit out of someone“ (jemanden verprügeln) et cetera.
Regelfixiert
Um Lewis‘ These einer besonderen deutschen Analfixierung als Bullshit zu entlarven, könnte man aber auch Ebonics ins Feld führen, die anal geprägte, mittlerweile akademisch salonfähige, aus dem Hip Hop hervorgegangene Kunstsprache der afroamerikanischen Entertainer-Elite, in der nahezu jedes Adjektiv mit der Nachsilbe „ass“ versehen wird. Ein blöder Idiot ist auf Ebonics demnach nicht ein „stupid idiot“, sondern ein „stupid-ass idiot“, womit das Adjektiv nicht mehr auf den Idioten selbst, sondern direkt auf dessen Arsch bezogen ist.Da ein mutmaßlicher Fäkalienfetisch nicht ausreicht, um die deutsche Rolle in den globalen Finanzwirren zu definieren, verlegt sich Lewis irgendwann auf den guten alten deutschen Ordnungsinn, auf ihre Fetischisierung von Regeln. Deutsche hielten sich leidenschaftlich gern an Reglen, so Lewis, auch an den Finanzmärkten. Deutsche Banker seien demnach ehrlich, bescheiden und frei von der brennenden Ambition, sich auf Kosten der Allgemeinheit zu bereichern. Beinahe ungläubig zitiert er beispielsweise Klaus-Peter Müller, den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Commerzbank, zum Thema Boni: „Warum sollte ich einem 32jährigen Händler 20 Millionen Dollar zahlen? Er benutzt unsere Büros, unsere IT und hat eine Visitenkarte mit einem erstklassigen Namen darauf. Wenn ich die ihm wegnähme, würde er wahrscheinlich Hot Dogs verkaufen.“
Aber bei aller Bescheidenheit seien die deutschen Banker auch naiv und blöde. Zocken, das könnten sie einfach nicht. Und als sie in der Boomphase des Hypothekenmarktes dann international hätten mitspielen wollen, seien sie von der abgebrühten Wall Street eben über den Tisch gezogen worden. Nicht Gier sei ihnen dabei zum Verhängnis geworden, sondern die deutsche Regelhörigkeit. Wenn ein zum Himmel stinkendes Paket aus Subprime-Anleihen offiziell ein Rating von AAA getragen habe, hätten die Deutschen es eben blauäugig und ordnungsgemäß als risikofreie Anlage akzeptiert.
Antisemitismus inklusive
In Island, Irland und den USA, resümiert Lewis, im Zuge eines jeden finanziellen Desasters im letzten Jahrzehnt hätten die Deutschen zig Milliarden verloren, nur nicht beim ex- Wall-Street-Makler und Milliarden-Betrüger Bernie Madoff. Dies sei „der einzige Vorteil, der dem deutschen Finanzsystem daraus entstanden ist, dass es darin keine Juden mehr gibt.“ Es ist bemerkenswert, dass es Polemik dieses Härtegrades an Graydon Carter vorbei geschafft hat, dem Chefredakteur der Vanity Fair, der die längeren Texte der jeweiligen Ausgabe in seinem Editorial einzuführen pflegt – den Text über Deutschland aber mit keinem Wort erwähnt.
Auch ist bemerkenswert, dass Michael Lewis, der seit zwei Jahrzehnten zu den interessantesten amerikanischen Journalisten zählt – Liar’s Poker, sein Buch über seine Zeit als Investmentbanker, ist ein Klassiker – offenbar nicht mehr alle Tassen im Schrank hat. Wenn sich im Stolz der Deutschen auf ihren weißen Spargel eine arische Gesinnung andeutet – ist der grüne Spargel dann für die Marsmenschen? Lewis argumentiert derart unsachlich, als hätte ihm der Sänger von Rammstein die Ehefrau ausgespannt, um mit ihr streng reglementierten Fäkalspielchen zu frönen. Seine Definition der deutschen Volksseele wirkt ähnlich stereotyp, als würde man Amerikaner generell als überschuldete, Frittiertes in sich hinein schaufelnde, die Todesstrafe bejubelnde, keine Zeitung lesende Waffenliebhaber definieren.
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