Auf der Suche nach den Sternen

K-u-J-Bücher Die literarische Welt des David Almond

Dort, wo ich aufgewachsen bin, gibt es viele alte Kohlebergwerke, dunkle, steile Straßen, kleine, versteckte Läden, prächtige Herrenhäuser und wilde Heidehügel. Geheimnisvolle und unerwartete Ereignisse, die sich dort abspielten, waren Teil meiner Jugend; aus dieser Region habe ich viel Inspiration für meine Geschichten gewonnen."

David Almond wurde 1951 in Felling-on-Tyne in der Nähe von Newcastle geboren, einer Landschaft, die er immer wieder in seinen Romanen zum Leben erweckt. Sein jüngstes Werk, eine Geschichtensammlung mit Episoden aus seiner eigenen Kindheit, erzählt von Liebe und Verlust, von Tod, Trauer und Hoffnung, von der Auseinandersetzung eines Heranwachsenden mit dem unbarmherzigen Dogma der römisch-katholischen Kirche, von seltsamen Begegnungen, Sexualität und von der Entwicklung eines eigenen Glaubens.

Im Zentrum des Buches Die Sternensucher steht der Tod der Schwester Barbara, die im Babyalter starb. Dieses Motiv hat Almond bereits in seinem ersten Roman, dem preisgekrönten Kinderbuch Die Zeit des Mondes bearbeitet. In all diesen Episoden über eine Kindheit voller familiärer Zuneigung und Geborgenheit - trotz der Armut, die in der Kleinstadt herrschte - spürt man unterschwellig immer die Suche nach dem fehlenden Teil, nach Barbara, der Kleinen, die verloren ging und eine unschließbare Lücke in der Familie hinterließ. In Gedanken und Gefühlen ist sie immer präsent, lässt weder die fünf Geschwister, David, Colin, Catherine, Margaret und Mary, noch die Eltern los. Lange, nachdem der Vater und später auch die Mutter gestorben sind, versammelt der Erzähler seine Familie noch einmal in der Küche, alle, auch Barbara. "Dieses Kind hier ist verloren gegangen", sagt die Mutter. "Ist einfach davonspaziert, die Kleinste von allen. Wer hat dir das erlaubt?" Und Mary fügt hinzu: "Ich war noch nicht einmal hier, als du hier warst. Aber ich erinnere mich trotzdem an dich. Ich vergesse dich trotzdem nicht."

Im letzten Kapitel findet David seine Schwester in seinen Träumen noch einmal wieder - als Engel. Die Szene, wie der Heranwachsende in seinem Traum das kleine zarte Engelwesen, das seine Schwester war, in den Arm nimmt, ihr über die federleichten Flügel streicht und sie herzt und kost, ist zu Tränen rührend schön erzählt. Diese Szene bezeichnet den Abschluss des Buches und zugleich wohl das Ende eines Abschnitts im Leben des Erzählers. Der wagt es nun, sich von dem einengenden Dogma der Kirche abzuwenden, Fragen zu stellen und die Wahrheit zu verlangen. Der Schritt zum Erwachsenwerden ist vollzogen.

Magische Elemente, "Schwellensituationen" wie Tod und Geburt - solche Aspekte findet man immer wieder in David Almonds Werk. Auf die Bedeutung solcher Themen für Kinder und Jugendliche angesprochen, meint der Autor: "Kinder haben einen schier unerschöpflichen Wissensdurst, sind neugierig auf unsere Welt und ihre Möglichkeiten. Die zentralen Fragen von Leben und Tod - Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Was passiert, wenn man stirbt? Gibt es einen Gott? - sind sehr wichtig für sie. Ich glaube, dass Kinder sich ganz instinktiv mit diesen Themen beschäftigen und dass sie den Mut haben, sich allen möglichen Antworten zu stellen. Deshalb brauchen sie Bücher, die genauso mutig sind wie sie."

Die Sternensucher ist ein solches Buch: Mutig, poetisch, warmherzig, ehrlich, geheimnisvoll, spannend und vergnüglich.

David Almond: Die Sternensucher. Aus dem Englischen von Cornelia Holfelder von der Tann, Ravensburger-Verlag, Ravensburg 2002, 215 S., 12,95 EUR (ab 13)

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