Bibi Netanjahu (Likud) und Benny Gantz (Blau und Weiß) werden also künftig als Ministerpräsidenten rotieren. Doch die Stimmung in Israel ist Essig, die Bevölkerung überwiegend gleichgültig. Kein Wunder, nach drei Parlamentswahlen und über einem Jahr politischen Tauziehens war dieser Kompromiss mit dem teuersten Kabinett der Geschichte, 36 Ministern und 16 Stellvertretern, eine schwere Geburt. Sowieso ist alles beim Alten geblieben – die Rechten und Ultra-Religiösen behalten das Sagen, Netanjahu einstweilen als ihren Premier. Entsprechend hohl klang es, als sein designierter Nachfolger Gantz verkündete, nun sei die größte politische Krise überwunden und der Moment gekommen, sich zu versöhnen. Der potenzielle Oppositionsführer Yair Lapid höhnte sogleich: Die Israelis hätten Besseres verdient, sie „hassen die Politiker und Politik“, zu der es in ihrem „echten Leben keine Verbindung“ mehr gebe. Er klagte so auch seinen Ex-Bündnispartner Gantz an, der sein Wahlversprechen, mit dem unter Anklage stehenden Netanjahu nicht zu koalieren, brach.
Israels Gesellschaft ist tief gespalten. Viele Bürger erwarten von ihrer Regierung wenig Engagement gegen die massiven sozialen Probleme, verschärft durch die Covid-19-Pandemie. Die arabischen Israelis sind sauer, weil Gantz sie zugunsten der Regierungsbildung ignorierte, obwohl ihre Liste als drittstärkste Kraft aus den Wahlen hervorging. Durch sein Lavieren hat Gantz ihr Vertrauen und das der meisten Israelis in der zivilgesellschaftlichen Opposition verspielt. Von ihm kam zuletzt kaum noch Widerspruch, selbst Netanjahus Annexionspläne der Westbank ließ er unkommentiert. Politisch unerfahren, wirkt Gantz wie Wachs in „Bibis“ Händen.
Letzterer ist nach über 13 Jahren im Amt national und international gewiefter Stratege. Der alt-neue Ministerpräsident und Oberbefehlshaber der Armee machte prompt deutlich, dass er an diesem Gefälle nichts ändern will, und setzte zugleich seine Agenda gegenüber den Palästinensern: Gewiss werde er mit Gantz, dem ehemaligen Generalstabschef, so erfolgreich zusammenarbeiten wie bei der Militäroperation in Gaza 2014.
Am 24. Mai steht Netanjahu wegen Korruption vor Gericht, und die israelische Justiz hat er noch nicht in die Knie zwingen können. Beendet ist Israels politische Krise ganz und gar nicht.
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