Einkauf im Pornowunderland

Erotikfilme Es gibt keine Freiheit im Kapitalismus, also gucken alle Pornos.

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Das private Fenster ist geöffnet, ein paar Klicks, kurz die "This website contains sexually explicit material"-Hürde überspringen und schwupps: Willkommen im Paradies der feuchten Träume. Heute im Angebot: Alles.

Es ist kein großer Aufwand, sich einer Welt Zutritt zu verschaffen, die damit lockt so fast jedem sexuellen Fetisch ein Zuhause zu bieten (Für härteren Stuff wird das Darknet aufgerufen). Doch der geringe Aufwand kann sicherlich mit einer gewissen innerlichen Überwindung einhergehen. Die Frage, ob es "in Ordnung" ist - wie Leander Badura in der Rubrik "Gender" der letzten Freitag-Ausgabe schreibt - sich Pornos anzuschauen, ist nicht so leicht zu beantworten und hängt von den Moralvorstellungen des konsumierenden Individuums ab. Vielleicht mich einen das schlechte Gewissen vor einem höheren Wesen, vor der Ehefrau/ dem Ehemann. Vielleicht fand die Sozialisation in einem konservativem Umfeld stattfand oder man ist einfach nicht mit dem in Pornos vermittelten Frauenbild einverstanden. Vielleicht haben derlei Überlegungen in der jahrelangen Erkundungstour durch das digitale Rotlichtmilieu aber auch nie wirklich eine Rolle gespielt.

Ob Gewissensbisse oder nicht, die Deutschen sind beim Palmewedeln vor dem Bildschirm weltweit ganz vorne dabei. Wie kann das sein? Woher stammt diese unwiderstehliche Anziehungskraft Analsex darstellender Bilder? Zunächst muss man sich vor Augen führen, dass Pornos Ausdruck konsumistischer und damit kapitalistischer Entwicklungen sind. In neoliberaler Manier kann man sich den Konsum von Erotikfilmen wie einen Supermarkt-Einkauf vorstellen: Ich laufe durch die Gänge der Porno-Kategorien und picke mir das raus, was mir am attraktivsten erscheint. Wenn es nicht schmeckt: Zwei Klicks, Nächste. Die Konsum- und Wegwerfgesellschaft ist auch schon längst hier angekommen. Derartiges Verhalten beim "sexuellen Einkaufen" hat vor allem was mit Kontrolle zu tun, denn der/die Webseiten-Besucher/in bestimmt, wie die Frau(en) aussieht/aussehen, in welcher Stellung das aufgesetzte Lustspiel stattfindet, wie lange es gehen soll. Das Internet stellt einen Rückzugsraum zum Ausleben jeglicher Fantasie dar, was dermaßen an der Realität vorbeigeht, dass es beim realen Koitus zu Enttäuschungen kommen kann. Es geht lediglich um das Selbst. Keine/r auf dessen Bedürfnisse man eingehen muss. Ein Ausbruch aus der Realität, ein Suchtfaktor.

Badura schreibt, dass es keine Freiheit im Patriarchat gebe und bezieht sich dabei auf die Darstellerinnen jener Erotikfilme, die nicht einvernehmlich ihren Körper zur Verfügung stellen würden. Da mag gewiss etwas dran sein, übersieht aber eine andere Seite: Produzenten und Darsteller/innen, die genau um die Suchtfunktion pornografischer Inhalte wissen, für die Sex vor der Kamera „nur“ Arbeit ist, treiben die Pervertierung des Markts durch ein Überangebot und steigende Konkurrenz immer weiter an. Es gibt keine Freiheit im Kapitalismus, also gucken alle Pornos.

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