Künstlerin Johanna Dumet im Porträt: Was man sich von Kunst alles kaufen kann
Malerei Johanna Dumet malt üppig gedeckte Tische und Luxusgüter, mit denen sie sich für Instagram auch fotografiert. Was macht diese offen ausgelebte Liaison mit dem Kapitalismus so interessant?
So geht Kunst auf Instagram: Die Künstlerin Johanna Dumet
Foto: Tobias Schult
Delizioso die Buletten avec les Spaghettis und Geile Champagne! Bekannt geworden ist die junge, französische, seit einer Dekade in Berlin lebende Künstlerin Johanna Dumet vor etwas mehr als zwei Jahren mit so betitelten Tischbildern. Vorstellen kann man sich diese folgendermaßen: Man schaut von oben auf einen Tisch voller Austern, Hummer, Champagner, Wein, Aschenbecher, Kaviar und Hermès-Taschen (manchmal auch welche von Prada oder Louis Vuitton). Mit Zitronen beträufelte Schalentiere, Kaviar – Lebensmittel, die nicht da sind, um sattzumachen. Stattdessen machen sie Spaß, sehen gut aus und kosten in unseren Breitengraden viel Geld. Im Juli 2021 lancierte Dumet zusammen mit dem Berliner Galeristen Johann König eine Edition eines solchen Tischbildes (
solchen Tischbildes (La petite bière bien fraîche), innerhalb von 24 Stunden wurden um die 1.000 Exemplare verkauft, das machte bei 300 Euro pro Druck 150.000 Euro für die Künstlerin und die andere Hälfte für die Galerie. Seitdem gibt es für ihre Tischbilder eine lange Warteliste.„Eins mit meiner Arbeit“Sucht man Johanna Dumet auf Instagram (@johanna_dumet), findet man einen von mehr als 35.000 Follower*innen umjubelten Account. Die Künstlerin weiß, wie man die Plattform für sich nutzt und Aufmerksamkeit generiert. Man könnte die Behauptung aufstellen, dass Dumet ohne Instagram heute nicht so erfolgreich wäre. Sicher ist, dass die App die Marke Dumet als kulturelles Phänomen entscheidend mitgeformt, oder gar ermöglicht, hat. Marke deshalb, weil immer mehr (junge, schlanke, weiße) Frauen aus der Modebranche Dumets Tischbilder imitieren, wie man auf Instagram sehen kann. Was sie mit Dumet eint, ist nicht nur, dass sie Autodidaktinnen sind. Dumet hat in Marseille Modedesign studiert. Sie wissen, wie man die Malerei richtig inszeniert – und zwar als Teil eines bunten, kreativen, individuellen Interieurs, das den Eindruck erwecken soll, dass auch sie das sind. Dumet posiert auf den Instagram-Fotos neben ihren Gemälden, wobei nicht nur der Atelierraum stylisch wirkt, sondern auch sie selbst. Was sie trägt, kann sie dank Instagram direkt verlinken.Placeholder image-1Ein Beispiel: Dumet inmitten ihrer Gemälde. Auf dem Fischgrätparkett liegen Arbeiten aus ihrer Serie zu Luxushandtaschen (hier: Chanel, Prada und Louis Vuitton). Hinter ihr steht ein großformatiges Bild, auf dem ein Camel-Aschenbecher zu sehen ist. Die Künstlerin trägt eine Hose in Tierfelloptik, dazu passende Schuhe und ein Shirt, dessen Grellgrün nicht zu unterscheiden ist von dem Grellgrün im Bild hinter ihr. Auf dem Shirt steht: Chanel. Ins Bild gesetzt wird hier das, was Dumet auf einem Modeblog formuliert: „Ich schätze, ich gehe in meiner Arbeit sprichwörtlich auf; ich bin meine Kunst und sie ist ich. Von meiner Wohnung über die Möbel bis hin zu meinem Lebens- und Kleidungsstil bin ich eins mit meiner Arbeit.“Was bei Frida Kahlo faszinierte, erzeugt bei Dumet angesichts zahlreicher Kollaborationen, die sie mit Marken wie Hermès, Tiffany oder Adidas eingeht und aus denen sie auf Instagram keinen Hehl macht, ein eher ein unwohles Gefühl. Anders als bei Künstlern wie Takashi Murakami, der Luxushandtaschen gestaltet, sind die Marken bei Dumet in den meisten Fällen selbst Sujet. Im Auftrag von Hermès malt sie Bilder von den Taschen, bunt und beinah abstrakt, aber immer mit Markenlogo. Sie macht auch direkte Werbung über Instagram-Posts, wie für Prada. Die Gleichung ist dabei simpel: Dumet postet ein Foto von sich mit der Luxushandtasche, die sie dafür geschenkt bekommt. Die Bildunterschrift klärt auf: „I’m bringing my #pradagalleria everywhere I go and because of my lifestyle, I feel like I’m living in a Nouvelle Vague French movie“.Johanna Dumet feiert die MalereiSo skurril das alles klingen mag, lohnt es sich, Dumets Bilder abseits von Hashtags und Verlinkungen zu betrachten. Möglich ist das aktuell in der Ausstellung Intérieur Rose in der Galerie Mehdi Chouakri in Berlin. Wieder mit dabei: Tischszenen, aber anders. Die Künstlerin hat die Wände der Galerie von oben bis unten mit rund 150 Malereien ausstaffiert, die zusammen eine gigantische Interieurszene ergeben. Die Idee zu dieser raumgreifenden Installation kam Dumet aufgrund einer Ausstellung in Kopenhagen zu Henri Matisses Serie der Intérieurs rouges. Dumet erfindet diese, Interieur und Stillleben kombinierende, Bildidee in ihrem Stil neu und lässt sie in Pink einen ganzen Raum einnehmen. Fast schon irritiert es, was auf den ersten Blick sichtbar ist: Die Tische sind frei von Champagner und Luxusmarken. Die linke Wandseite zeigt ein Wohnzimmer mit einem großen Tisch, auf dem ein Buch von Marcel Proust, Peppi Guggenheims Out of This Century und ein Tarot-Buch liegen. Die Szene bei flackerndem Kamin wirkt familiär und gemütlich. Statt der hippen Berliner Paris Bar dient als Bildmotiv auf dieser Wand das Haus ihrer Eltern in dem wenige Seelen beheimatenden Dorf Guéret – wo Dumet aufwuchs und in dem es erst seit wenigen Jahren Hausnummern gibt.Placeholder image-2Spannend ist, dass Dumet gerade das Sujet des Interieurs in die Galerieräume überführt. Denn einerseits braucht die Künstlerin das Interieur zur Selbstinszenierung auf Instagram und andererseits benötigt sie es für ihre Malerei, denn wie sie erzählt, inspirieren sie die sie umgebenden Vasen, Blumen und Teller (freilich nicht aus dem schwedischen Möbelhaus, sondern besondere Stücke vom Flohmarkt oder von Reisen) zum Malen. Als Besucherin von Intérieur Rose fühlt man sich als Teil dieser Welt, beobachtet von Passant*innen durch die Schaufenster der Galerie. Dank der Edition – ein Druck von der linken Wandseite der Ausstellung –, die Dumet ab dem 13. Januar, dem Tag der Vernissage, für 24 Stunden mit Chouakri verkaufte, kann man sich einen Teil des Interieurs in die eigenen vier Wände hängen, vielleicht gar ein Foto auf Instagram posten – irgendwie meta.Der an zeitgenössische Kunst herangetragenen Forderung, kritisch und politisch zu sein, kommt Dumet sicher nicht nach. Stattdessen geht sie eine auf Instagram offen ausgelebte Liaison mit dem Kapitalismus ein. Die Künstlerin scheint das weder ironisch noch kritisch zu meinen. Sie gibt ehrlich zu, dass sie sich über die Prada-Handtasche freut, die sie geschenkt bekommt – wer würde das nicht? Man kann ihr Markenfetischismus vorwerfen. Ihre Malerei überzeugt trotzdem. Dumet erzählt, dass sie stets erst eine Idee im Kopf hat, die sie dann direkt auf der Leinwand umsetzt. Diese Sicherheit und die Lust am Malen sieht man. Sie aktualisiert das Genre des Stilllebens und des Interieurs, und hat einen Stil erfunden, den man wiedererkennt. Und sie entwickelt ihr Werk konsequent weiter. Vielleicht überzeugt ihre Malerei aber auch, weil gerade das Gefühl des Unbehagens dazu führt, dass man sich mehr Gedanken darüber macht als zuweilen über politische, kritische Kunst. Oder weil die kapitalistische Logik des Kunstmarkts auch nicht dem Diskurs gerecht wird. Oder vielleicht weil Dumet es einfach durchzieht. Bejaht. Die Malerei feiert. Und das, was sie sich damit kaufen kann.
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