Begrabt mein Herz ....

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Wenn man in Deutschland manche fremdsprachige Zeitung liest, fallen unter den Annoncen zahlreiche Beerdigungsinstitute auf. Diese bieten nicht nur den gleichen Service wie die deutsche Konkurrenz, sondern verfügen auch über Know-How für diejenigen, die ihre Verstorbenen nicht in Deutschland zur letzten Ruhe betten wollen.

Das gilt – nicht nur, aber vor allem – für Türken, aber auch viele in anderen muslimischen Ländern geborene Ausländer. Kommt dieser Fakt einmal in die deutsche Presse, wird in den Kommentaren spekuliert, kritisiert …. Warum ist das aber noch heute so, oft auch für Menschen, die bereits in dritter Generation in Deutschland leben?

Dafür gibt es ein paar sachliche, aber auch emotionale Gründe.

Zu Anfang lag es einfach daran, dass man dachte, dass die restliche Familie doch wieder zurückgehen würde, und da wollte man die Gräber da haben, wo man selbst später wohnen wollte. Hinzu kam, dass es in Deutschland kaum passende Grabstätten gab. Zu den muslimischen Vorschriften gehört, dass die Toten mit dem Gesicht nach Mekka begraben werden. Sitte ist es auch – manche sagen, Vorschrift – die Leiche nur in ein Tuch gewickelt, nicht aber im Sarg zu begraben. Das ist bis heute auf den meisten deutschen Friedhöfen undenkbar.

Für Muslime undenkbar ist es andererseits, dass Gräber nach 30, 20, mancherorts sogar nach 15 Jahren eingeebnet– und dabei noch vorhandene Knochen ausgegraben und umgelagert werden. Muslimische Gräber bestehen, bis sie von selbst mit der Landschaft eins werden.

Schon aus diesen beiden Gründen wollen viele nicht hier begraben werden. Zudem: wie ist es mit der Sicherheit der muslimischen Gräber? Es hat schon verschiedentlich Anschläge gegeben, und an diesem Punkt trauen viele Muslime einem Teil der deutschen Bevölkerung nicht über den Weg.

Hinzu kommt, dass gerade bei der Unsicherheit, ob man selbst wirklich auf Dauer bleiben darf, will und kann, man seine Toten nicht da wissen will, wo man ihre Gräber, selbst wenn sie erhalten blieben, nicht besuchen könnte.

Die Kosten sind oft in ähnlicher Höhe, wie sie auch für eine Beerdigung in Deutschland anfallen würden, also kein Argument für die ein oder andere Möglichkeit. Viele Muslime sind auch Mitglied in Bestattungsvereinen, wo sie monatlich einen geringen Beitrag zahlen, im Todesfall aber die gesamte Abwicklung geregelt und die Kosten übernommen werden.

Es werden, wie ich lese, zunehmend „muslimische Gräberfelder“ auf deutschen Friedhöfen ausgewiesen, zum Teil mit Ausnahmen vom Sargzwang. Das ist ein erheblicher Fortschritt, wobei aber nur in seltenen Fällen wirklich ein Kauf der Grabstellen auf Dauer vorgesehen ist. Notwendig sind diese Einrichtungen – denn eine den meisten Betroffenen nicht bekannte Regelung vieler Staaten besagt, dass nur eine Leiche überführt werden kann, die auch einen entsprechenden Nationalpass hatte. Wer sich also in Deutschland hat einbürgern lassen, MUSS sich dort begraben lassen. Ein weiterer Grund, warum Einbürgerung unter Aufgabe der alten Staatsbürgerschaft so unbeliebt ist?

Zahlen über Überführungen vs. Bestattung in Deutschland habe ich nicht finden können - die Frage könnte mit zunehmender Nachfrage durch die Altersentwicklung der ausländischen Communities erst so richtig interessant werden.


(Diesen Text habe ich aus einem älteren meines wordpress-blogs aufgearbeitet, den ich dort im Januar 2009 aus aktuellem Anlass einstellte und interessanterweise über das gesamte Jahr hinweg zu den meist gelesenen gehörte. Vielleicht, weil es dazu so wenig Lesbares gibt?)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Alien59

Nächster Versuch. Statt PN: alien59(at)live.at

Alien59

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