Blick nach Deutschland (2) - Sitzenbleiber

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Nein, ich meine nicht das deutsche Schulrecht, das jedes Jahr hohe Kosten dadurch produziert, dass Kinder Klassen wiederholen.

Ich las über Sarah Wagenknecht, Sevim Dagdelen, Christine Buchholz und Heike Hänsel. Sie sollen gegen den israelischen Präsidenten Peres am 27.1.2010 protestiert haben, indem sie beim Schlussapplaus nach seiner Rede zum Holocaust-Gedenktag sitzen blieben. Parteikollegen werfen ihnen – besonders natürlich Wagenknecht – vor, es am nötigen Respekt mangeln gelassen zu haben.

Respekt?

Gegenüber den Opfern? Den haben sie gezeigt, indem sie an der Feierstunde teilnahmen.

Gegenüber dem Redner? Der würde ihn als Mensch, als Staatsoberhaupt und Friedensnobelpreisträger sicher verdienen. Ich bin den vieren aber trotzdem dankbar, dass sie diesen Punkt gesetzt haben, nachdem ich seine Rede las. Eine gute Rede, zweifellos. Gekonnt, historisch fundiert, bewegend. Aber mehr als das, was er sagt, klagt ihn an, worüber er schweigt.

Er kann sich nicht mit dem Tod von so vielen Kindern abfinden, sagt er. Er spricht über die jüdischen Kinder in Auschwitz und anderen Konzentrationslagern.

Für die Kinder von Gaza, die toten, die verstümmelten, die traumatisierten, die hungrigen, hat er kein Wort. Nicht hier, aber auch nicht an anderen Tagen. Es sind nicht so viele. Es gibt keine Gaskammern. Aber es sind auch Kinder. Und sie leben hinter Zäunen. Er weiß das. Die Kinderaugen hinter diesen Zäunen sind die Schrift an der Wand, die diese vier Frauen wohl sehen konnten, wegen der sie sitzen blieben. Dafür haben sie meinen Respekt.

Nachtrag, 4.2.2010

Folgende Meldung sehe ich mich verpflichtet, zu ergänzen.

Heike Hänsel erklärte am 31. Januar 2010 auf ihrer Internetseite:

Hiermit fordere ich eine Richtigstellung der seit gestern verbreiteten Meldung, ich sei bei der Rede von Shimon Peres im Bundestag anläßlich des Holocaust-Gedenktages “demonstrativ sitzen geblieben”. Dies ist eine falsche Behauptung des Abgeordneten Michael Leutert, die er in denunziatorischer Weise verbreitet hat. Ich konnte aus terminlichen Gründen nicht an der Gedenkveranstaltung teilnehmen, war also gar nicht anwesend. Da der “Informant” Leutert trotzdem meinen Namen erwähnt hat, zeigt die Absicht der politischen Verleumdung. Die ungeprüfte Weitergabe von Behauptungen ist Ausdruck eines unseriösen Journalismus. Es ist befremdlich, daß sich diese Zeitungen für solche Desinformationen mißbrauchen lassen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Alien59

Nächster Versuch. Statt PN: alien59(at)live.at

Alien59

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