Das tägliche Brot

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Das ist ein kleines Problem hier. Pakistanisches Chapati oder türkisches Brot in allen Varianten liebe ich – mit dem üblichen arabischen Brot hier kann ich mich nicht anfreunden. Wenn es nicht grade noch heiß ist, schmeckt es für mich wie Pappe. Als Besteckersatz oder Zubrot zum gut gewürzten Mahle ist das erträglich, für mein Frühstück jedoch habe ich ihm daher Tischverbot erteilt. Nur in Notfällen darf sich eine dieser Scheiben, dann aber auf der Flamme des Gasherdes frisch geröstet, meiner Marmelade oder dem Käse nähern. Stattdessen begnüge ich mich mit einer Art Milchbrötchen, die wenigstens auch noch am Tag zwei nach dem Backen essbar sind.

Zum Glück hängt mein Tag nicht so sehr vom Brot ab – es gibt einen viel wesentlicheren Bestandteil meines Frühstücks, ohne den mir auch der schönste Morgen gestohlen bleiben könnte: Tee. Seit vielen Jahren kann ich auf so manches verzichten – solange niemand mich vor meiner ersten Tasse Tee anspricht. Dabei bin ich variabel: pakistanischer Chai hat den weiteren Vorteil, insbesondere wenn mit frischer Büffelmilch zubereitet, auch noch sättigend zu sein – ich gebe zu, diese flüssig-heiße Morgenmahlzeit mit ihrem speziellen Duft nach Kardamom und anderen Gewürzen taucht derzeit bisweilen in meinen Tagträumen auf.

Ebenso kreist mein Blick manchmal suchend durch meine Küchenregale – doch meine türkische, zweistöckige Teekanne fiel der Begrenzung des Umzugsguts zum Opfer und wurde noch nicht ersetzt.

Daher gibt es derzeit Tee nach Art des Hauses: zu meinem nicht geringen Entsetzen mit Teebeuteln anzurichten. Geschmacklich ist das nicht so schlimm, wie ich befürchtete, als ich diese mir sonst verhassten Objekte hier vorfand. Weit davon entfernt, wie meine liebe Familie in Deutschland, diese Papierfetzchen mit kochendem Wasser kurz zu überbrühen, wird hier zunächst liebevoll jede Menge Zucker in das kochende Wasser gerührt, dann der gewünschte Geschmack hinzugefügt. Im Sommer war es meist frische Minze, später getrocknete, derzeit ist Salbei angesagt. Erst wenn dieser Aromaträger das Zuckerwasser beglückt hat, dürfen auch die beiden mit Schwarzteepulver unbekannter Provenienz gefüllten Papiersäckchen sich dort tummeln und die weiter köchelnde Flüssigkeit um eine weitere Nuance verfeinern.

Der Gasherd stöhnt – überkochender, bereits gut gesüßter Tee verströmt zwar einen leckeren Karamelgeruch, ist aber ausgesprochen anhänglich. Stahlwolle droht dem Brenner.

Der Salbei-Tee-Dampf jedoch steigt ungerührt zur Decke – ich nehme den mir gereichten Becher und suche meinen Schreibplatz auf. Der Herd kann warten. Das Brot – auch.

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Geschrieben von

Alien59

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Alien59

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