Beim Lesen der Berichterstattung über den Wahlkampf in NRW habe ich so überlegt, wen ich wohl wählen würde, wäre ich noch dort. Hier beim Freitag läuft die Diskussion ja vor allem über SPD und LINKE. Das ist auch gut so, und die Frage stellte sich mir im Zweifelsfalle auch so. Dachte ich. Doch nun machte mich ein SPIEGEL-Artikel darauf aufmerksam, dass in NRW die schlimmste Befürchtung des rechten Randes leibhaftig geworden ist: DIE haben jetzt eine eigene Partei gegründet und nehmen an der LANDTAGSWAHL teil!
Zwar hatte es eine solche Kleinpartei schon geschafft, bei den Kommunalwahlen in den Bonner Stadtrat einzuziehen, aber das ist ja wegen des Wegfalls der 5%-Hürde nicht so sehr schwer. Trotzdem hatte ich das sehr begrüßt.
Heute habe ich mir dann auch die Website der BIG-Partei noch einmal besichtigt, das Grundsatzprogramm, so wie dort verlinkt, ist für meinen Geschmack etwas zu dünn. Darüber könnte man gut meckern.
Was macht nun der Spiegel? Das wichtigste ist, man findet eine Kandidatin mit Kopftuch. Die kommt natürlich auch mit Bild in den Artikel – den ich ansonsten nicht so sehr schlecht finde.
Ansonsten kämpft wohl auch dieser Neuankömmling im Parteienspektrum damit, dass sich erst mal keine Zeitung für ihn interessiert. Die Pressearbeit, soweit sie auf der Website dokumentiert ist, spricht aber dafür, dass man dort, wo potentielle Wähler sich informieren, recht gut vertreten war – wobei mir die türkischen Zeitungen fehlen.
Mich interessiert dieses Phänomen auch deshalb, weil ich vor ca. 10 Jahren an ein paar Sitzungen teilgenommen habe, wo genau über die Gründung einer solchen Partei beraten wurde. Es wäre möglich gewesen, jedoch fiel die Entscheidung dagegen aus. Einerseits hätte das zu viele personelle und finanzielle Ressourcen von anderen Projekten abgezogen, andererseits war die Mehrheit der Meinung, es sei besser, sich in bestehenden Parteien zu engagieren. Letzteres tun ja schon viele Migranten, nicht immer zur Freude der etablierten Parteigenossen. Nach dem letzten Streit um eine Frau Özkan als Ministerin hat aber möglicherweise diese Einstellung einen weiteren Rückschlag erlitten – so wie schon öfter, wie z.B. bei der fehlgeschlagenen Aufstellung Bülent Arslans.
Das könnte der BIG mehr Stimmen bringen – ob sie es geschafft haben, diesen Vorfall wahlkampftechnisch für sich zu nutzen, konnte ich nicht feststellen. Brauchen sie vielleicht nicht selbst zu machen, in den türkischen Zeitungen wurde darüber breit berichtet.
Die Kandidaten finde ich interessant. Gemischter Herkunft, arabisch, türkisch, bosnisch, soweit ich den Namen entnehmen konnte, auch deutsch. Migranten wohl hauptsächlich der zweiten Generation, durchweg gut gebildet, auch viele, die heute als Selbständige arbeiten. Unter ihnen dürfte der Prozentsatz von Kindern aus Arbeiterfamilien wohl über dem Durchschnitt liegen - eigentlich Vorzeigekandidaten für jede bestehende Partei. Doch von diesen fühlen sie sich offensichtlich so wenig vertreten, dass sie beschlossen haben, von ihren demokratischen Rechten Gebrauch zu machen und das selbst in die Hand zu nehmen. Spannend, finde ich das.
Wieder alle Wahrscheinlichkeit wünsche ich mir, dass sie in den Landtag kommen. Wäre ich wahlberechtigt, hätten sie meine Stimme.
Kommentare 11
Vielleicht beim nächsten Mal.
Auf den Wahlplakaten sind immer Personen zu sehen, die kein Mensch kennt (ich nicht ;-)). Dafür fehlt etwas zum Programm. Bis ich Deinen Artikel gelesen hatte, wusste ich nicht mal wofür die stehen. Ich dachte das sei eine Wirtschaftspartei.
Meine Stimme bekommt dieses mal jemand anderes.
auf jeden fall ist es interessant, diese entwicklungen zu beobachten, doch eines ist wahrscheinlich auch klar, auch die migrantinnen und migranten sind teil unterschiedlicher sozialer schichten und nehmen so auch verschiedene interessen wahr - mal sehen, wie das in dieser neuen partei austariert werden kann und inwieweit das auch thematisiert wird (es sei denn, ihre mitgliederschaft ist eher homogenen, vom sozialen gesichtspunkt aus) ...
Wenn ich das richtig mitbekommen habe, waren etliche vorher in anderen Parteien engagiert. Das könnte heißen, dass sie lokal bekannter sind. Ich kenne allerdings von den auf der Website stehenden Kandidaten auch keinen.
Gute Fragen.
Es war jedoch immer etwas paradox, dass sehr viele Migranten eher SPD wählen, obwohl ihre eigene Einstellung durchaus in vielen Bereichen konservativ ist. Die SPD profitierte einerseits von Gewerkschaftsnähe, andererseits von angeblich besserer Ausländerpolitik (sie hatten halt keinen Dregger, Lummer, Zimmermann oder Koch - Sarrazin könnte da was am Bild ändern). Insofern frage ich mich auch, welche Richtung sich insgesamt in der Partei wiederfindet - das Programm gibt da so sehr viel für mich noch nicht her. Vielleicht wird sich aber da gar keine Einordnung in die übliche rechts/links-Positionierung machen lassen?
Als ich das erste mal von BIG gehört habe, war ich begeistert. Endlich eine Partei, die die Interessen von Migranten wahrnehmen will. Doch nach genauerer Betrachtung schlug meine Begeisterung schnell um in Ernüchterung.
Was sich hier nach außen als tolerante Migrantenpartei präsentiert ist nichts weiter als der verlängerte Arm der türkischen islamischen AKP-Partei, die in der Türkei seit Jahren regiert und schleichend dabei ist, die Türkei zu re-islamisieren und das laizistische Vermächtnis Atatürks auf den Müll zu werfen.
Die Spitzenfunktionäre und Spitzenkandidaten von BIG stammen zum größten Teil aus dem Dunstkreis von Milli Görüs und anderen konservativ-islamischen Verbänden. Wenn man etwas nachforscht sieht man auch ganz deutlich, welcher Geist durch BIG weht. So haben die Bonner Stadtverordneten von BIG bzw. BFF vehement gegen die Teilnahme von Mädchen am gemeinsamen Schwimmunterricht polemisiert. Und auf der Webseite der islamistischen Organisation Milli Görus, denen Haluk Yildiz (genau wie auch der rechtsextremen "Junge Freiheit") bereitwillig Interviews gibt, relativiert er Zwangsehen: "... wer bestimmt, ob es eine Zwangsheirat ist ..." "wenn es sich um eine arrangierte Ehe handelt, mit der beide einverstanden sind, besteht natürlich kein Problem. " Wenn also z. B. die Frau unter dem Druck der Familie nachgibt und in die arrangierte Ehe einwilligt ist das für Yildiz kein Problem. In den türkischsprachigen Wahlspots von BIG, die sich recht deutlich von den deutschsprachigen unterscheiden, wird die türkische Identität hervorgehoben, es wird von "Leiden" gesprochen und der Integration eine Absage erteilt. Das passt zu einer Meldung von Mitte März, nachdem der türkische Ministerpräsident Erdogan deutsche Politiker türkischer Abstimmung einlud und dort versuchte diese in seinem Sinne zu beeinflussen. Türkischstämmige Politiker der SPD, der Grünen und der Linken haben darauf hin mit Empörung reagiert. Ist es zu paranoid anzunehmen, dass BIG von der türkischen Regierungspartei AKP ferngesteuert wird, wie weiland die DKP von der SED?
Genau wie Pro NRW unter dem Mantel der Bürgerbewegung anti-islamische und rassistische Hetze betreibt, betreibt BIG unter dem Deckmantel der toleranten Migrantenpartei islamistische Propaganda. Ich hoffe nur, dass beide bei den morgigen Wahlen von den Wählern nicht beachtet werden.
Zu einer "Steuerung" durch die AKP passt die Zusammensetzung der Kandidaten und die weitgestreute Pressearbeit in der arabisch-sprachigen Presse aber gar nicht.
Mit nur 0,2% blieb die BIG in der Bedeutungslosigkeit - und das obwohl viele Medien über die BIG berichtet hatte. Auch unter den Migranten dürfte sich nur ein kleiner Bruchteil für BIG erwärmt haben. Die meisten dürften begriffen haben, dass selbstgewählte Ausgrenzung und Ablehnung der Integration der falsche Weg ist.
Die Linke zieht dagegen mit 11 Sitzen ein, unter ihnen drei türkisch-stämmige Abgeordnete: Ali Atalan, Özlem Demirel und Hamide Akbayir. Und zeigt nicht genau dieses Beispiel, dass die BIG überflüssig ist?
Warten wir ab, was diese drei an politischen Vorstellungen haben. Nur ein türkischer Name heißt noch gar nichts. Das hatten wir ja schon öfter.
Ich habe mal einen Blick in die einzelnen Wahlkreise geworfen - klar ist, dass BIG auf dem flachen Land kaum zu sehen ist, aber in einigen größeren Städten sah es da schon etwas besser aus. Ob sie wachsen werden oder ob ihre bloße Existenz den anderen Parteien an bestimmten Programmpunkten ein bisschen Feuer macht, werden wir sehen. Ich habe von BIG gelesen, dass sie der Auffassung sind, durchaus eines Tages überflüssig werden zu können. Aber so, wie derzeit mit Politikern mit Migrationshintergrund teilweise umgegangen wird, sind sie das m.M.n. nicht.
Ich dachte, es ginge darum, dass MigrantInnen stärker vertreten sein sollen, unabhängig von der politischen Einstellung?
Wenn die politischen Vorstellungen aber doch eine Rolle spielen, dann hat sich das Projekt "Migrantenpartei" sowieso erledigt, da die politischen Einstellungen unter den MirantInnen so verschieden sein dürften wie in der übrigen Bevölkerung. Da gibt es Linke, Liberale, Konservative usw. (naja, ProNRW-Anhänger dürften schwierig zu finden sein).
Und das ist eigentlich auch mein Kritikpunkt an der BIG, dass sie unter der Flagge "Migrantenpartei" segeln, in Wahrheit aber eine konservativ-islamische Partei sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass z. B. ein progressiver türkischstämmiger Alevi mit linker politischer Einstellung sich in der BIG wohlfühlen würde.
Nachtrag: wie ich eben lese, gibt es drei weitere türkisch-stämmige Abgeordnete im NRW-Landtag: Arif Ünal(Grüne), Serdar Yüksel(SPD) und Ibrahim Yetim(SPD).
Es soll ja Leute geben, die unter Verfolgungswahn leiden.
Die Linke ist aber mit den meisten türkischstämmigen Menschen in Germania nicht konform. Zumal sich dort viele Leute tummel, die der Terrorprtei pkk nahe stehe. Die Leute, die früher an der Ecke die Terrorzeitung "özgür politika" verkauft haben, verteilen nun Werbeblätter der Linken.