Wer immer noch nicht weiß, worauf wir in der Klimakrise eigentlich zusteuern, kann momentan einmal nach Spanien schauen. In Sevilla, im südlichen Andalusien, stieg das Thermometer vergangene Woche auf über 38 Grad. Die befürchteten 40 wurden am Wochenende zwar nicht erreicht, aber mit über 30 Grad bleibt es wohl auch diese Woche weiterhin extrem heiß. Denn kurzer Hinweis: Der Mai hat gerade erst begonnen. Fast 40 Grad in der letzten Aprilwoche sind selbst in Südspanien zehn bis 15 Grad über den Normaltemperaturen. Auch die spanischen Wälder brennen schon wieder und die Böden sind so trocken wie normalerweise im Hochsommer. Das Land befindet sich jetzt im dritten Jahr mit extremer Dürre, im Süden ist es sogar schon das achte. Ganze
nze Landstriche sind so ausgetrocknet, dass sie aussehen wie Dürregürtel in Afrika oder Asien: Sandiger Boden mit tiefen Rissen, wo früher einmal Wasser war.Die anhaltende Dürre hat inzwischen auch Auswirkungen auf die Wasserversorgung in Spanien. Stauseen sind im April zum Teil nur noch zu zehn Prozent gefüllt, Wasser muss schon länger rationiert werden und das, obwohl die wirklich heiße, trockene Zeit dieses Jahr mit dem Sommer erst noch kommt. Die spanische Regierung hielt deshalb Mitte des Monats einen Dürregipfel ab, um sich über die Möglichkeiten, die Folgen der Dürre abzumildern, auszutauschen.Spanien ist nicht Deutschland, und hier sieht es derzeit nicht so schlimm aus. Und doch werden wir die Folgen der spanischen Dürre zu spüren bekommen. Denn unter der Dürre leidet insbesondere die Landwirtschaft. Weniger Wasser bedeutet automatisch auch weniger Ernte. Beinahe die komplette Saison Getreide und Hülsenfrüchte in Spanien ist vernichtet, bevor sie Wurzeln fassen konnte und auch im Obstanbau sieht es derzeit nicht gut aus. Bereits zu Beginn des Jahres zogen Landwirte nach Madrid, um gegen die Wasserentnahmebeschränkung aus dem Fluss Tajo zu protestieren, diese war jedoch notwendig, um die angrenzenden Ökosysteme zu schützen. Die Bauern benötigen mehr Wasser zum Anbau, doch das gibt es schlicht nicht. Bleiben die Erträge aus, werden auch wir das an den Supermarktkassen merken. Denn die Lebensmittelpreise werden unweigerlich in die Höhe getrieben, wenn Spanien, der „Garten Europas“, weniger Obst und Gemüse liefert.Deutschlands Klimapolitik führt zu einer Erwärmung um 4,4 GradDie Probleme mit dem Grundwasser und damit der Wasserversorgung, die sich aktuell in Spanien zeigen, werden uns früher oder später auch in Deutschland treffen. Die ersten Wasserversorger haben bereits begonnen, die Trinkwassermenge für Haushalte und Industrie zu deckeln. Die Auswirkungen der Klimakrise sind bereits spürbar. Und das, obwohl die Erderwärmung bisher „nur“ um die 1,1 Grad liegt. Das Pariser Klimaabkommen hat sich 1,5 Grad als Ziel gesetzt. Theoretisch sind die noch erreichbar. Praktisch muss man allerdings davon ausgehen, dass es einen so rapiden Umbruch in unserer Politik und unserem Wirtschaften braucht, dass wir dieses Ziel höchstwahrscheinlich verfehlen werden.Ein Frankfurter Start-up hat jüngst ein Modell erstellt, mit dem sich berechnen lässt, auf welche Erwärmung wir unter den politischen Maßnahmen in den einzelnen Ländern zusteuern würden. Für die deutsche Klimapolitik liegt der Wert bei 4,4 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts. Der Weltklimarat (IPCC) hat sich als Worst-Case-Szenario, also als schlimmsten Fall, eine Erwärmung von vier Grad angesehen. Eine vier Grad wärmere Welt käme den apokalyptischen Zuständen gleich, vor denen Aktivist:innen seit Jahren warnen. Unser Planet wäre nicht wiederzuerkennen: Die Hälfte der Landmasse wird zur Wüste, in den Meeren gibt es riesige Todeszonen, in denen nichts mehr überleben kann. Durch den steigenden Meeresspiegel verschwinden Metropolregionen und durch das veränderte Klima breiten sich auch in Europa tropische Krankheiten aus. Bei vier Grad würden zudem Kipppunkte überschritten, die eine sich selbst fortsetzende Dynamik in der Erderwärmung anstoßen würden. Die Regionen, in denen sich überleben lässt, schrumpfen, Massenmigration von Millionen von Menschen und soziale Konflikte wären die Folgen.Doch anstatt uns mit der realen Möglichkeit dieses Szenarios zu befassen, auf das uns unsere Politik sehenden Auges zusteuert und deshalb radikales Umdenken in der Klimapolitik einzufordern, kleben wir gesellschaftlich so verzweifelt an unserem Status quo, wie die Letzte Generation am Asphalt. Wir diskutieren seit Monaten auf und ab, welche Strukturen diese Gruppe hat, ob ihre gewählten Mittel des Protests nicht die falschen sind und ob es legitim ist, so massiv in den Alltag der Menschen einzugreifen.Eigentlich legitimiert genau diese Reaktion auf die Letzte Generation ihre Existenz. Denn wir haben offensichtlich immer noch nicht verstanden, was Klimakatastrophe bedeutet, wenn wir uns über Verspätung auf dem Weg zur Arbeit mehr aufregen können, als über ausbleibende Klimapolitik.