Der Anfang ist jedes Mal der gleiche: Ein krampfhaftes Ziehen im Bauch reißt mich aus dem Schlaf und hält mich für die nächsten Stunden wach. Mit den Schmerzen kommen immer die gleichen Fragen: Warum muss das immer nachts anfangen? Wer ist schuld an diesem Mist? Warum ist die Pharmaindustrie so blöd und lässt sich den Umsatz eines effektiven Medikaments gegen Regelschmerzen entgehen? Wie viel mieser muss das für Endometriose-Patientinnen sein? Und wie lang habe ich statistisch noch bis zur erlösenden Menopause?
In den kommenden zwei Tagen wird gerade Stehen immer wieder unmöglich. Manchmal kommen die Schmerzen so heftig und plötzlich, dass ich mich irgendwo festklammern muss, um nicht in die Knie zu gehen. Normal – Periode halt.
Also Ibu und Buscopan schlucken, was aber nicht helfen wird, und sich an der Wärmflasche festhalten, die macht wenigstens ein warmes Gefühl im Bauch. Mehr als das, Diät-Tipps, Yoga-Übungen und den Hinweis „Entspann dich einfach mal“, hat die Medizin nicht zu bieten. Das Einzige, was die Interessen der Pharmaindustrie zu schlagen scheint, ist das Patriarchat. Denn trotz der Option, der Hälfte der Menschheit über Jahre ein Mittel andrehen zu können, das sie monatlich nehmen müsste, investieren Pharmakonzerne lieber in Medikamente gegen erektile Dysfunktionen. Ein im Vergleich kleiner Patientenstamm. Doch das Problem ist den großteils männlichen Führungsetagen offensichtlich vertrauter. Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet ein Mann, John Guillebaud vom University College London, meint, Regelschmerzen würden gesellschaftlich unterschätzt und seien wissenschaftlich viel zu wenig erforscht. Seine Schlussfolgerung: mindestens so heftig wie die Schmerzen bei einem Herzinfarkt.
Meine Periode ist schon unangenehm, aber wie ein Herzinfarkt? Und vor allem mindestens. Sprich: Schlimmer als ein Herzinfarkt geht auch.
Patriarchal gut konditioniert gab es exakt drei Reaktionen auf diese Mitteilung: Erstens, der Mann übertreibt. Zweitens, entweder sind Herzinfarkte also gar nicht so schmerzhaft, oder drittens, so schlimm ist meine Periode im Vergleich dann wohl nicht. Worüber jammere ich hier eigentlich schon wieder?
Aber wenn das doch stimmt? Dass Frauen in der medizinischen Forschung und auch bei Behandlungen anders beachtet werden als Männer, wird seit einigen Jahren immer wieder an neuen Beispielen diskutiert. Guillebauds These nimmt gleich zwei davon auf.
Frauen, die mit Schmerzen zur Ärztin gehen, werden häufig nicht ernst genommen. Im Vergleich zu Männern bekommen sie bei gleichen Symptomen und gleicher Erkrankung deutlich weniger Schmerzmittel verschrieben – und nein, das liegt nicht an dem durchschnittlich geringeren Gewicht. Männer haben Schmerzen, die behandelt werden müssen. Frauen machen, was sie immer machen: Sie übertreiben – auch mit ihrer Periode. Herzinfarkte sind noch ein Punkt, wo wir Frauen medizinisch den Kürzeren ziehen. Der Grund: Herzinfarkte treten bei Frauen häufig mit Symptomen auf, die nicht dem Standard im Lehrbuch entsprechen, was daran liegt, dass dieser Standard männlich ist – und in dem Fall für Frauen potenziell tödlich enden kann.
Vielleicht, falls Guillebaud recht hat, liegt das Problem mit den Herzinfarkten aber ganz woanders. Wenn diese Art von Schmerzen für viele Frauen zum Alltag gehört, warum sollten wir den Notarzt rufen? Einfach die Wärmflasche auf die Brust legen statt auf den Bauch. Problem gelöst. In zwei, drei Tagen ist es dann bestimmt wie immer weg. Bloß nicht jammern, sonst fragt noch jemand, ob wir unsere Tage haben.
Kommentare 10
Ausweg: #Mehr Schmerzmittel für Frauen?
Auf manche (FRAUsche) Gedanken muss frau erst kommen.
Nachtrag: Im Moment haben es Glossen schwer. Die Verhältnisse laufen flächendeckend aus dem Ruder. Ein Herr Welke ernennt sich zum Satiriker und Hofnarren.
Beispiele: Die belgische Regierung sagt: Atomkraft - ja, bitte. Herr Habeck geht vor Kataris in die Knie: pragmatisch, aber nicht demokratieförderlich, 'Oil of Olaf' Scholz bedient seine bislang unbekannten Freunde in der Rüstungsindustrie, angekündigte Bürgerhilfen werden - erst einmal - bis zum Jahresende verschoben. Bussis und Business as usual.
An alle Michel und solche, die es endlich werden wollen: Gab es in den letzten hundert Jahren in Deutschland einen Generalstreik?
P. s. Dies ist keine Glosse.
>>Gab es in den letzten hundert Jahren in Deutschland einen Generalstreik?<<
Das ist gesetzlich verboten, zumindest seit es die BRD gibt. Entscheidenden Anteil daran hat der Nazi-Jurist Nipperdey, der später der erste Präsident des Bundesarbeitsgerichts war und an dem Verbotsurteil mitwirkte. Er erfand den Schadensersatz, den Unternehmen einklagen können, falls sie im Rahmen eines politischen Streiks finanzielle Nachteile hätten. Zu zahlen von den verurteilten Streikenden.
Aber was hat das alles mit Menstruationsschmerzen zu tun? Ich sehe da keinen Zusammenhang.
"Ich sehe da keinen Zusammenhang."
Nicht? Sie wissen aber, dass in einer globalisierten Welt alles mit allem zusammenhängt - wie bei Opas Spucknapf?
Ich habe mich hier als Impulsgeber betätigt. Und ich bin sicher, wenn wir in einem richtigen Leben leben würden - statt in einem falschen: Die Menstruationsbeschwerden mancher Frau wären moderater, weil auch die Wirklichkeit moderater wäre.
Gewalttätige Systeme erzeugen Gewalttätigkeiten im Kleinen. Auch vor Menschenkörpern macht dieser Lehrsatz nicht halt. Ich merke das an mir selbst. Mit Menstruationsbeschwerden kann ich (noch?) nicht dienen, aber die Ereignisse der letzten Wochen haben bei mir Gallenbeschwerden bewirkt. Die kannte ich bislang nur vom Hörensagen.
Morgen gehe ich zu meiner Hausärztin. Meine Gallenresilienz stärken. Die externen Giftportionen der letzten Wochen hinterlassen Spuren.
Da sind wirksame 'Gegengifte' notwendig.
Meine persönlichen erlebnisse sind genau umgekehrt. 3 Jahre von arzt zu Ärztin gelaufen, massive Beschwerden, Schmerzen, immer wieder Notaufnahme und völliger zusamnebruch der Leistungsfähigkeit. Die Reaktion der Ärzte war nahe Null. Blut abnehmen, Vielleicht mal Blutdruck messen, ansonsten der Rat "mehr Sport machen" (was einer der Gründe waurm ich überhaupt zum Arzt bin, weil das nicht mehr funktionierte). Nichts - gar nichts habe ich bekomme, bis ich einen Arzt gefunden habe, der mir zugehört hat, geglaubt hat und eine Theraphie ausprobiert hat, da alle "messbaren" Werte in Ordnung waren.
wenn ich mit frauen In meinem Bekanntenkreis rede, wundern sich alle darüber. Die werden in der regel mit Medikamenten überschüttet und wenn sie was fordern, bekommen sie es.
Ich kenne diese ignoranz von Ärzten nur gegenüber Männern. Ein Bekannter, der leider mittlerweile verstarb, wurde mit seinen 1. Herzinfarkt auch durch seine Hausärztin mit einer nichtigen Diagnose nach Hause geschickt, wo ihn sein Sohn gerade noch rechtzeitig gefunden hat.
Das die Menstruationsbeschwerden von Frauen extrem unterschiedlich sind und jede Frau auch andere Behandlungsmethoden dafür hat, ist aber nicht die Schuld der Ärzte.
und ein Blick in den Arzeinmittelschrank von alleinstehenden Männer und Frauen sollte diese Glosse eigentlich auch Lügen strafen. Zumindest nach meinen Erfahrungen finde ich eher bei der Frau ein Mittel gegen Schmerzen wenn ich es denn mal brauche.
Was den Umgang mit Schmerzen angeht (wie ich mal hörte, soll auch die Schmerzempfindlichkeit bei Frauen einiges höher sein als bei Männern), neigen in meinem Umfeld Frauen zum früheren Griff nach einem Schmerzmittel
Sicher hat da jedE/R seine eigenen Methoden. Ich achte in den belastenden Situationen des Lebens sehr auf meine Atmung. Und anders als mancher Arzt, der in auffälligen Befunden gleich einen Feind im Körper wittert, den es zu besiegen gilt, versuche ich mich mit fremden Eindringlingen zu arragieren. Immerhin habe ich eine Krebserkrankung um über 20 Jahre überlebt. Ganz ohne Chemotherapie oder andere großkalibrige Behandlungen.
Naja, der Volksmund dichtet ja gerne dem Mann die "Männergrippe" an und bei Frauen wird eine Geburt als das Maß der Schmerzen die sie ertragen können in's Feld geführt.
Das alles letztlich sicher eher eine Frage des individuellen mentalen Umgang damit. Meine Anmerkung bezieht sich aber in erster Linie auf die Glosse, die eine systematische Benachteiligung von Frauen in der (Schmerz-)behandlung vermutet
Ich war mir nicht sicher, ob die Autorin tatsächlich ernsthaft diese systematische Benachteiligung von Frauen annimmt.
Und selbst wenn: eine ernsthafte Auseinandersetzung mit solch vereinfachendem Gedankengut hätte der Text m. E. nicht verdient.
Ich fand den Text sehr vereinfachenden.
"Das Einzige, was die Interessen der Pharmaindustrie zu schlagen scheint, ist das Patriarchat. Denn trotz der Option, der Hälfte der Menschheit über Jahre ein Mittel andrehen zu können, das sie monatlich nehmen müsste, investieren Pharmakonzerne lieber in Medikamente gegen erektile Dysfunktionen. "
Daher meine Bemerkung mit dem Arzneimittelschrank. Meine "Auseinandersetzung" war lediglich der Gedanke das diese selektive Wahrnehmung für viele Männer genau andersherum Realität ist. Ob das nun eine ernsthafte ist, kann jeder selbst entscheiden.
Wenn man Falsches immer wiederholt, wird es nicht richtiger. Der Herzinfarkt bei Frauen wurde nicht falsch eingeschätzt, weil der Standard im Lehrbuch männlich ist. Männer haben beim Herzinfarkt häufig Schmerzen, die mit der Herzgegend assoziiert sind, Frauen haben dagegen oft Schmerzen im Bauchraum. Das ist eben schwerer zu diagnostizieren und von anderen Schmerzen abzugrenzen. Außerdem haben Männer wesentlich häufiger Herzinfarkte, was bei medizinischem Personal zu mehr Erfahrung mit der männlichen Variante führt.
Mittlerweile wird der Unterschied aber in jedem Erste Hilfe-Kurs besprochen und dürfte allgemein bei Fachleuten und Laien gut bekannt sein.