A
Allesfresser Die gemeine Küchenschabe – zumeist ist sie in der Gastronomie zu Hause – plündert die Vorräte ihrer unfreiwilligen Wirte. Auch den Namen Deutsche Schabe lässt sich der Allesfresser gefallen, besonders in Berlin-Kreuzhain wird man sich über den Beinamen Schwabenkäfer freuen. Die Tierchen mögen es hübsch warm, weshalb sie besonders in Großküchen und Wäschereien, Tierfutterbetrieben und Einkaufszentren, Tiergärten und Ställen zu finden sind. Im Freien hingegen lässt sich die Schabe nur im Sommer blicken – 20 Grad plus sind ihr Minimum. Ihr Fressschaden ist gering, allerdings kontaminiert der gelbbraune Sechsbeiner seine Umgebung mit stinkendem, Krankheiten übertragendem Kot. Ordnung und Sauberkeit machen der Deutschen Schabe ihrem Namen zum Trotz den Garaus. Tobias Prüwer
B
Blattlaus Alle Jahre wieder derselbe Terz. Balkon- und Gartenpflanzen werden gezogen, gehegt und bequatscht und trotzdem lassen sie die Blättchen hängen. Irgendwann wagt man es, genauer hinzusehen, und findet auf den Blattunterseiten und an den Stielen Kolonien fetter schwarzer Blattläuse. Sie saugen dem Gewächs kohlenhydratreichen Saft aus. Ihr Exkrement trägt den poetischen Namen Honigtau, weil es stark zuckerhaltig ist. Vor allem Ameisen schmeckt das gut, weshalb manche die Läuse in einer Symbiose vor natürlichen Feinden beschützen. Die effektivsten Feinde sind die Marienkäfer. Während des Larvenstadiums vertilgt ein einziger mehr als tausend Blattläuse.
Der Mensch greift zu Hausmitteln wie Seifenlauge oder Tabaksud. Versagen sie, heißt die letzte Alternative Metasystox R, ein Pestizid, das aber leider bienenschädlich ist. Und Bienen versorgen uns ja mit jenem süßen Gold, dem die Laus-Ausscheidungen ihren Namen verdanken: mit Honig. Weil wir auf den nicht verzichten wollen, heißt es: weiter fleißig mit Lauge abspülen. Sophia Hoffmann
D
Definition Wenn die Natur zurückschlägt, bleibt dem Homo postmoderniensis nur das Heulen. Von Flora und Fauna entfremdet, wittert die Mimose Mensch gleich überall Schädlinge – auch wenn diese nur ihr Habitat bevölkern. Kaum im Grün angekommen, läuft ihm eine ➝ Blattlaus über die Leber, sobald er nur ein Tierchen sieht, dessen Nutzen er nicht gleich erkennt.
Dabei erfolgt die Diskriminierung einer Spezies als Ungeziefer oder Schädling ebenso willkürlich wie beim Unkraut. Der Mensch ist eben das Maß aller Nutzdinge. Dabei entstammt der Name Geziefer mutmaßlich der religiösen Praxis: So nannte man alle opferfähigen Tiere wie Schafe und Ziegen.
Alle anderen Viecher waren gleichsam für den Ritus nicht zu gebrauchende Untiere. Aufgrund ihrer unappetitlichen oder anders wenig ästhetischen Gestalt machten sie den Opfergang madig (➝ Made) und wurden als Ungeziefer vom Altar geschubst. Ungeziefer ist eben nicht satisfaktionsfähig – wer die Schabe (➝ Allesfresser) hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. TP
E
Eichenprozessionsspinner Das wäre doch mal ein Name für eine Punkband. Nicht „Angeschissen“ oder „Dackelblut“, sondern „Eichenprozessionsspinner“. Da steckt Spaß an Sabotage drin, denn die Raupe, die so umständlich heißt, ist ein echter Bürgerschreck. Das Problem ist ihr Iro: feine Härchen auf dem Rücken, die bei Menschen zu Rötungen und Reizungen, im schlimmsten Fall zu allergischen Schocks und Asthma führen können. Die Plage ist in diesem Jahr so groß, dass Parkanlagen gesperrt werden mussten.
Die Eichenprozessionsspinner (Foto) leben an Blättern und Zweigen in „geselligen Familienverbänden“, wie es auf einer Forst-Website heißt. Das klingt nach guten Gesprächen. Auch auf Nahrungssuche gehen sie in „Prozessionen“. Das Tückische: Selbst nach der Metamorphose halten sich die „Brennhaare“ am Baum oder auf dem Boden mitunter noch jahrelang. Punk forever. Mark Stöhr
K
Kakerlake Man muss die Kakerlake verteidigen. Sie lebt in hierarchielosen Großgruppen, sie teilt mit ihren Artgenossen ihr Essen und ist nicht pingelig – gegessen wird, was unter den Tisch kommt. Sie ist zäh, uneitel, und überhaupt: Kakerlaken stapeln sich gerne aufeinander. Es sind Tiere für die Orgie und die Krise zugleich. Ganz tolle Zeitgenossen.
Bedauerlich, dass die Kakerlake einen schlechten Ruf hat, der Menschen zu Untaten verleitet. Mir ist einmal eine unten ins Hosenbein gekrabbelt und erreichte blitzschnell von dort aus die Knieregion. Ich ließ sofort die Hose runter und verjagte sie. Ich fand dieses widerliche Mistvieh in diesem Moment wahnsinnig eklig.
Dafür sage ich „sorry“, das war ungerecht. Aber ich habe meine Lektion gelernt: Jede Kakerlake, die ein Stummelschwänzchen, Löffelöhrchen und ein weiches Fell hat, nehme ich heute zum Schmusen auf den Arm. Klaus Raab
Kleidermotte Sie ist der Albtraum für jeden unübersichtlichen Kleiderschrank. So wie für meinen. Vor vielen Jahren flog aus den zerknüllten Untiefen meines alten Holzschrankes ein Schmetterling, den ich später als Motte identifizierte. Von Oma weiß man: Jetzt muss Mottenpulver her. Nach einem kritischen Schnüffler war jedoch klar, dass das Zeug nicht nur giftig ist, sondern auch meine sozialen Kontakte auf ein Minimum reduzieren würde: unausstehlicher Gestank, den man nicht wirklich mit sich herumtragen will. Dann doch lieber Zedernholzstückchen in Herzform. Die Motte habe ich danach nie wieder gesehen, die Löcher werden trotzdem immer mehr. Ich schiebe es jetzt auf die Waschmaschine. JL
L
Laubholzbockkäfer Sollte Heidi Klum eines Tages dazu übergehen, unter seinesgleichen nach einem Topmodel zu suchen, Anoplophora glabripennis käme bestimmt ins Finale: auffällig schön, mit langen Fühlern und klaren Linien, sehr groß natürlich (3,5 Zentimeter!), wandlungsfähig (elf Larvenstadien!) – und mit unheimlich viel Biss. Selbst Weltreisen schrecken den Asiatischen Laubholzbockkäfer nicht, wo er landet, liefert er ab, sogar im Land des unbegrenzten Scheiterns, den USA. Ende der Neunziger wurde das Tier dort eingeschleppt, heute genießt es dort den Status als Ahornbaumvernichter Nr.1. Emsig, von außen unsichtbar und gründlich raspelt sich die Käferlarve durch den Stamm und sucht sich dafür keine Weichhölzer. Am Ende bleibt: ein Loch, Kinderdaumengroß. Einmal befallen, hat kein Baum mehr eine Chance. Seit einigen Jahren gibt es den ALB auch in Deutschland. Kathrin Zinkant
M
Made Als Heinz Erhardt das Gedicht „Die Made“ schrieb, war ich noch Kind und fand es witzig. Jahre später, in meiner ersten eigenen Wohnung, hatte ich einen Kater, dem es gefiel, sein Fressen mit der Pfote aus dem Napf zu angeln, es aus der Pfote zu fressen, diese dann auszuschütteln und die Reste dadurch gründlich in der Küche zu verteilen. Leider auch in Ecken, die nicht unbedingt zugänglich waren. Je nach Temperatur und Fliegenaufkommen kam es dann oft zu Madenbildung, die der Kater spannend und ich eklig fand.Die sich ständig windenden Insektenlarven habe ich heute noch vor Augen. Der Futternapf zog dann um ins Badezimmer, in dem sich die weißen Würmchen einfacher beseitigen ließen.
„Hinter eines Baumes Rinde“ gefallen sie mir immer noch besser, zumal dann vielleicht sogar hübsche kleine Käfer aus ihnen werden können. Ein Haustier habe ich inzwischen nicht mehr. Jutta Zeise
Miniermotte Wenn sich die Kastanien Berlins rotbraun färben und sie ihre Blätter zu Boden fallen lassen, ist mal wieder richtig Sommer in der Hauptstadt: trocken, heiß, staubig – das Lieblings-klima von Cameraria ohridella. Die Rosskastanienminiermotte (auch: „Balkan-Miniermotte“) ist ein von allen Großstadtbaumwächtern gefürchteter Kleinschmetterling, dessen Larven breite „Minen“ durch die innere Zellschicht der Kastanienblätter fräsen. Sofern der Sommer andauert, schlüpfen die Motten nach zwei Wochen aus den Puppen. Im Herbst fallen sie mit den letzten Blättern zu Boden und überwintern.
Der Status des Super-Bugs tut dem bräunlichen Insekt trotzdem unrecht – weil die Miniermotte wie alle Bio-Invasoren (unerwünschte, sich stark vermehrende fremde Arten) unfreiwillig an ihren Tatort kam (hier: per Lkw aus Mazedonien). Zum anderen, weil der Schaden zwar offenkundig ist, die Bäume aber nicht sofort an dem Mottenbefall zugrunde gehen. Und die Jahreszeiten sind eh nicht mehr, was sie mal waren. zint
S
Silberfischchen Eine Kindheitserinnerung: nachts auf dem Klo sitzen und Silberfischchen mit dem großen Zeh erschrecken. Diese flinken, lichtscheuen Tierchen gehören zum Haus wie Hund oder Katze. Sie brauchen es feucht und warm und tun niemandem wirklich weh. Sie knabbern ein bisschen an Bucheinbänden, Papieren, Textilien und Ledersachen, doch um nennenswerten Schaden anzurichten, müssten sie schon in Heeresstärke auftreten.
Wegen ihrer Vorliebe für Kohlenhydrate wie Stärke oder Zucker heißen sie auch „Zuckergast“. Das ist ein schöner Name: der Galan der Hausherrin, der Pralinen und Zerstreuung mitbringt. Silberfischchen gibt es seit 300 Millionen Jahren. Sie sind Überlebenskünstler der Evolution, von nichts kleinzukriegen, aber auch notorische Sitzenbleiber. Nicht mal Bellen oder Miauen haben sie gelernt. MS
Steinlaus Es ist dem beherzten Eingreifen Professor Grzimeks im Jahre 1976 zu verdanken, dass das Schicksal der Steinlaus wieder in das Bewusstsein der Bundesbürger gerückt ist. Die Petrophaga lorioti, wie das „kleinste Nagetier unserer Heimat“ heißt, war unter anderem infolge „übertriebener Hygiene“ und des „rücksichtslosen Gebrauchs von Sprayflaschen“ so gut wie ausgerottet.
Zahlreiche in den Folgejahren aktive Gruppen setzten sich für die Erhaltung dieses „possierlichen kleinen Kerls“ ein und konnten die Regierung überzeugen, den „gefräßigen kleinen Nager mit dem kräftigen Gebiss“ im Baugewerbe einzusetzen. So hilft er, dessen Appetit für Beton, Ziegelsteine und Eisenträger berüchtigt ist, leerstehende und verfallende Bauten kostengünstig und schnell zu beseitigen. Wundervolles Tier. Und bekanntlich, wie die ganze Geschichte, eine Erfindung von Loriot. Behrang Samsami
Z
Zecke Alle Frühjahre wieder bricht der Zeckenalarm los. Egal wie hart oder weich, feucht oder trocken der Winter ausfiel: Das aktuelle Jahr ist stets besonders schlimm. Ja, die blutsaugenden Milbentiere – in hiesigen Gefilden besonders verbreitet: der Gemeine Holzbock – können Krankheiten wie Borreliose übertragen. Haushaltsunfälle sind aber dennoch weit häufiger, auch wenn man das den hysterischen Medienberichten nicht entnehmen kann. Dafür ist das Geschäft mit der Zecken-Angst einfach zu lukrativ. Es gibt Zeckenfallen und Entfernungsbesteck sowie Impfstoffe, an denen nicht nur Apotheker und Ärzte verdienen. Mitunter besorgt die Pharmaindustrie die Zeckenaufklärung gleich mit und schaltet über PR-Firmen angeblich neutrale Informations-Sites. Wenn’s wenigstens helfen würde. Denn laut Deutschlandradio kämpfen die Impfstoffentwickler mit andauernden Problemen. TP
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