„Da muss mal jemand Bescheid sagen!“

Bond Wenn es ein sechshundertäuiges Augenverdrehen gibt, hat d.V. das gestern erlebt.

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Im Cinemaxx am Berliner Potsdamer Platz wird Skyfall im halbstündigen Rhythmus gezeigt, am ersten Samstag nach Filmstart ist der Eingangsbereich büchsensardinenvoll. Monitore zeigen den Stand der Saalbelegung, viel Rot, wenig Weiß. Der freundliche Kartenverkäufer, dessen dickes Fell nur an manchen Stellen leicht aufgerichtet zu beobachten ist, klickt sich so lange durch alle Säle, in denen Skyfall läuft bzw. laufen wird, bis eine Reservierung wg. der abgelaufenen Vorhaltezeit erlischt und wir zweimal „Mitte Mitte“ statt „einer Reihe 18 ganz links“ und „ der andere Reihe 2 ganz rechts“ bekommen, der Verkäufer tut so, als sei das unser Verdienst, was sehr reizend ist.

Der Snackverkäufer hat sich für diesen Abend ebenfalls rundum, eventuell auch innendrin, vorbereitet, und wirft die Wechselgeldmünze in die Luft, dreht sich, fängt sie und übergibt sie mit einem „Ich wünsch euch was!“

Es gibt Skyfall-Trinkbecher, Skyfall-Popcorntüten, ein Skyfall-Trinkbecher-Popcorntüten-Papppackset, Skyfall-Coke-Werbefilm und Skyfall-Making-Of-Special vorab, und als wir Saal 4 betreten, erklärt Til Schweiger gerade, warum er nicht mit uns den Film schauen kann (???).

Es geht halb 10 los und wir sind um 1 draußen, auch, weil irgendwann der Ton ausfällt und man noch mal "zurückspulen" muss: Lustig, dass einem im digitalen Zeitalter kein anderes als dies Kassettenwort hierfür einfällt.

Sobald der Ton weg ist, mault der Saal. In unserer Reihe wird verabredet, dass einer von denen ganz rechts mal eben rausgeht. Er steht auf und geht hinaus. Weiter vorn, von links, tönt über das Geraune der Menschen eine weibliche Stimme: „Da muss mal jemand rausgehen und Bescheid sagen!“

Wenn es ein sechshundertäuiges Augenverdrehen gibt, hat d. V. das gestern erlebt. Kommentiert wird der Ausspruch erst, als er eine Minute später, von derselben Frau, wiederholt wird: „Da muss jemand rausgehen!“

„Geh doch,“ ruft es mehrfach.

„Sind wir dein Bimbo oder was.“

„Das is ja ne SUPER Idee.“

„Kopp zu.“

Das ist ziemlich ******* (Adverb bitte selbstständig einsetzen): Sobald die Frau durch ihren Anweisungston den Rest des Publikums zu Anweisungsempfängern macht, reagieren diese mit einem Schulterschluss und nehmens drohend (Plattmachen könnten wir dich, plattmachen...) humorig, nicht zuletzt, weil wir längst geklärt haben, wer geht.

Der Ton ist ganz schön lange weg, aber das Bild läuft weiter, und es ist ein bisschen lustig, dass das Geschehen allmählich trotzdem mit Interesse weiterverfolgt wird und Ruhe einkehrt. Alle lachen, als es wegen der Stummfilmanmutung sogar einmal zu einem richtigen Stummfilmmoment kommt: übersteigerte Mimik, deutlichstes Artikulieren, nur fehlt die Text-Einblendung.

Schließlich kommt erst der Ton wieder, dann wird die Leinwand vollkommen schwarz, teils Aufjaulen im Publikum, dann startet der Film, reichlich zurückgespult, mit Ton und Bild, richtig Kino.

Weil wir das nun zu Sehende just schon mal gesehen haben, sehen wir jetzt, mit ablenkender Musik usw., alles. Das ist sehr verrückt, wieviel WENIGER schnell z.B. schnelle Schnitte OHNE Musik wirken. Jetzt, mit Ton, schauen wir mit schlampiger Aufmerksamkeit, weil wir diesen Teil der Geschichte schon einmal, und das wesentlich... prägnanter, erzählt bekamen.

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Der Film?

Amen, men!

D. V. hofft sehr, dass Javier Bardems pantagruelisch-bestrickender Bösewicht vielleicht nur ein bisschen tot ist.

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Geschrieben von

Amanda

Wieder hier, wieder da, wieder dort.

Amanda

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