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Digital Native Mit der Digitalisierung hat sich das Menschenbild verändert, die Seelen kommen nicht hinterher.

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Mit der Digitalisierung hat sich das Menschenbild in der (diese Digitalisierung lebenden) Welt verändert, die Seelen kommen nicht hinterher – sie reagieren und verformen sich unbemerkt, das Miteinander hat nur noch Wert, wenn es von dritten notiert und positiv bewertet wird, beim Erleben denk ich ans Medialisieren und Teilen. Es schwingt, wie bei den Schimpansen nördlich des Kongo, ein territorialer Gedanke mit, die Verheißung der Bestätigung ist schön, wird aber nicht für alle reichen, und gebiert gleichsam natürlich das Abwerten, Vertreiben, Disliken des Anderen.

Der digital lebende Mensch denkt, wenn er an sich denkt, immer an andere, von denen die Qualität des Ich-Seins abhängt. Wie lange dauert es, bis der Frust über das fremdbestimmte Dasein so groß ist, dass dieses Dasein ad acta gelegt und nur noch, siehe Trolle und / oder Pegida, ein Fingerzeigen gelebt wird, ein „Die andern aber auch!“ Was für eine scheußliche Entwicklung unseres „evolutionären Vorteils“, der Empathie!*

Wann sind die anderen nicht mehr die Hölle, sondern mein Ein-und-Alles, mein absolut distanzlos wahrgenommenes Be(s)tätigungsfeld? Die Perfidie der Digitalisierung liegt in der Verheißung von Geselligkeit, die nur in der Nische alltagsverschönernd wirken kann. Der digital lebende Mensch reduziert sein Menschsein (Kulturelles & Bildung, Charakteroptimierung & Tatensegen, Empathie & das halb volle oder leere Glas) auf ein Mensch-Scheinen. Es ist nicht mehr wichtig, wie der Mensch ist, geschweige denn, was er tut. Es ist nur noch wichtig, wie er sich darstellt, mit welchen Likes er sich im Klick-Kanon positioniert.

So finden Tag für Tag Schein-Diskussionen statt, werden Schein-Entscheidungen getroffen und Schein-Menschen bewertet. Denn Bewertung, möglichst abschließend und kein Gras mehr wachsen lassend, ist das Gebot der digitalen Zeit.

Ich (ICH?!) platziere ein „Ja“ oder „Nein“ im Sekundentakt, das Katzenvideo neben / nach der campact-Petition. Und nach -zig täglichen Bewertungen mach ich den Rechner aus. Und habe mich (MICH?!) definiert im Schein. Im valschen. Und wundere mich über den ziemlich hohl und dunkel klingenden Schall, der da hallt, wenn ich in mich hineinhöre.

Mit der Digitalisierung hat sich das Menschenbild verändert, die Seelen kommen nicht hinterher.

* Gibt es Studien zu Genkombinationen der Oxytocin-Rezeptoren bei 14- und 64-Jährigen?

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Geschrieben von

Amanda

Wieder hier, wieder da, wieder dort.

Amanda

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