Es ist nicht alles schlecht

Post-Covid Die Neuordnung der Förderpolitik kann aus der Krise eine Chance für die Kultur machen
Ausgabe 22/2021
Kultur findet immer einen Weg. Im Falle der Lichtfigur „Dundu“, die von Puppenspielern unter anderem vor einer Klinik und einer Kita bewegt wurde, kam sie zu den Menschen
Kultur findet immer einen Weg. Im Falle der Lichtfigur „Dundu“, die von Puppenspielern unter anderem vor einer Klinik und einer Kita bewegt wurde, kam sie zu den Menschen

Foto: Arnulf Hettrich/IMAGO

Das war eine großartige Nachricht vergangene Woche: Der Bund legt erneut einen Sonderfonds für Kultur auf. 2,5 Milliarden Euro, damit Kulturveranstaltungen stattfinden können, auch wenn sie sich wegen der Corona-Auflagen wirtschaftlich nicht rechnen. 2,5 Milliarden als Ausgleich für abgesagte Veranstaltungen, in einer Zeit, in der viele vom nahenden Ende der Pandemie ausgehen. Eine riesige Summe in Anbetracht der Tatsache, dass der gesamte jährliche Kulturetat im Bundeshaushalt bis 2020 jeweils unter 2 Milliarden lag. Gerade erst haben die Kulturinstitutionen und -veranstalter erfahren, dass sie wieder öffnen dürfen, schon steht sehr viel Geld zur Verfügung, mit dem Risiken abgefedert werden können.

Dahinter könnte ein Plan stehen. Der Plan, dass eine Neuordnung der Kulturförderung ansteht, bei der die Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern neu gedacht wird. Dafür gibt es bereits Anzeichen: die Förderungen aus dem Sonderfonds „Neustart Kultur“, von dem die freie Szene, bisher überwiegend Ländersache, sehr umfassend profitiert hat und der einen Innovationsschub sowohl bei den Fördermodellen als auch bei den Produktionsformaten bewirkt hat. „Neustart Kultur“ basiert auf Stipendien- und Residenzprogrammen, Forschungs-, Diskurs- und Digitalprojekten, Projekten im öffentlichen wie im Bühnenraum, Publikumsentwicklung und Wissenstransfer.

Für „Neustart Kultur“ wurde das Antragswesen entschlackt und beschleunigt. Man kann sagen, dass eine jahrzehntelang währende Kritik an überkomplexen Förderanträgen im Handstreich angenommen und umgesetzt wurde. Einziger, wenn auch zu behebender Nachteil: Künstler*innen, die keinen Nachweis darüber erbringen konnten, dass sie tatsächlich Künstler*innen sind, konnten nicht beantragen. Zweiter Nachteil: „Neustart Kultur“ ist nicht nachhaltig. Die Projekte müssen binnen Jahresfrist entwickelt, abgeschlossen und abgerechnet werden, und dann ist erst mal Schluss.

Genau hier muss angesetzt werden: 2,5 Milliarden sind eine Menge Geld. In der aktuellen Phase der Pandemie geht es darum, die enormen Fördersummen nicht nur dafür auszugeben, zu retten, was noch zu retten ist, sondern auch dafür, innovative Projekte und Strukturen zukunftsfähig auszubauen. Damit meine ich vor allem Digitalisierung oder nachhaltige Förderung genau da, wo Kunst Gesellschaft reflektiert. Beispielsweise wenn es um Themen wie Klimawandel, Postkolonialismus und Raubkunst, Migration und Flucht, Inklusion und diskriminierende Strukturen geht. In Bezug auf die Diversifizierung des Publikums braucht es ein Neudenken der Offensive „Kunst für alle“ aus den 1970ern.

In „Neustart Kultur“ sind all diese Fragestellungen angelegt. Das Pilotprojekt läuft. Die Politik sollte sich genau jetzt mit Künstler*innen und Kulturmanager*innen zusammensetzen, um zukunftsfähige und nicht Pandemie-anfällige Förderstrukturen für die Kulturbranche zu etablieren. Auch das Bündnis internationaler Produktionshäuser kann dafür ein Impulsgeber sein. Die Pandemie hat schmerzhaft gezeigt, was wir seit Jahrzehnten diskutieren: Wir brauchen ein neues Fördersystem, das freischaffende Künstler*innen und ihren Wert für die Gesellschaft erkennt und absichert. Ein Fördersystem, das den gesellschaftlichen Wert von Kunst anerkennt und künstlerischer Innovation von Nutzen ist.

Amelie Deuflhard ist Intendantin auf Kampnagel in Hamburg

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