Der Literarische Freitags-Salon

Leipziger Duett Literarischer Freitags-Salon am 15.03.2013 Ein "JA-Tag" sollte es werden - es wurde ein interessanter Tag !

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Literarischer Freitags-Salon am 15.03.2013

Ein "JA-Tag" sollte es werden - es wurde ein interessanter Tag !

Da ich am Donnerstag Maybrit Illner verpasst hatte, schaute ich mir die Sendung in der Wiederholung an, Freitag auf Phoenix. Und Überraschung : Jakob Augstein als Gast. Danach gleich Augstein & Blome, kommentiere ich an dieser Stelle aber nicht.

Und abends ins Centraltheater. Nach kurzem Suchen fanden wir die Hintere Bühne. Aha diesmal also nicht der kleine Raum vom letzten Jahr. Nicht 40 Leute sondern schätzungsweise 120 Leute hatten diesmal Platz. Obwohl die Bühne im ersten Geschoß des Theaters ist, kam ich mir vor wie in einem Keller. Treppauf, treppab, rechts, links, rechts und schon stand man vor der Bühne. Ein großer Raum mit Holzbühne, darauf 5 Sessel, weiterhin Stühle und Holztribüne, Technikpulte, eine Bar in der Ecke und eine Holzwand, die aussah wie provisorisch hingeschustert. Alles sehr alternativ.

Angesagt war der Literarische Freitags-Salon mit Jana Hensel, Michael Angele, Jakob Augstein und Clemens Meyer sowie als Moderator Jörn Dege.

Es wurde ein Literarisches Duett.

Es erschienen Michael Angele (von mir mal MA abgekürzt) und Clemens Meyer (CM).
MA erklärte zunächst die Situation. Zwei vom Freitag wären den Viren zum Opfer gefallen, der Dritte (er selber, MA) hat kaum noch Stimme. Woraufhin der Moderator aus Solidarität gleich mit erkrankte. Erfreulicherweise entschlossen sich aber die beiden "Übriggebliebenen", die Veranstaltung durchzuziehen.

Das erste vorgestellte Buch war gleichzeitig auch das, auf das ich am meisten gespannt war, Back to Blood von Tom Wolfe. CM sagte gleich zu Beginn, er hat das Buch nicht ganz gelesen, auf Seite 10 fast und ab der Hälfte des Buches ganz kapituliert, den Rest deshalb nur noch quergelesen. Also begann MA mit der Vorstellung.
Bei Back to Blood handelt es sich nach seiner Meinung nicht um eins seiner besten Werke. Es geht um das Zusammenleben der einzelnen Ethnien in Miami. Hauptsächlich Latinos, Exilkubaner
und Afroamerikaner. Erst als Geschichte vom amerikanischen Traum (kubanischer Flüchtling will Exil und scheitert 20 m vor der Freiheit) erzählt, wandelt sich die Geschichte dann in eine Kunstfälscherstory rund um einen russischen Oligarchen.
Wolfes Stil erscheint noch wundersamer als sonst. Worte werden mehrfach wiederholt, jedes einzelne Geräusch untermauert, Gedanken einer Anrede gleich formuliert, nur erkennbar an :::::

Fazit : Back to Blood ist nicht nur ein Thesenroman, sondern auch ein Tresenroman, da er aus unendlich langen, nervigen Schwätzereien besteht.

Empfehlung der Beiden : besser nicht lesen.

Das Verschwinden des Philip S. von Ulrike Edschmid erzählt vom Werdegang des Philip Sauber (Sohn reicher Eltern, Filmstudent) vom einfühlsamen, sensiblen jungen Mann hin zum Terroristen.
Angekündigt als Roman sind es eher Erinnerungen der Autorin und eine Aufarbeitung der 68er Bewegung. Nach AMs Meinung ist der Begriff Roman mittlerweile auf den Hund gekommen und deshalb ist das hier auch nicht so kritisch zu sehen. CM hatte das Buch eher als Roman gelesen und war dementsprechend enttäuscht. Es ist ein sehr stilles, verschwiegenes Buch, das vieles offen lässt. CM : "Ich will nicht erst eine Edschmid treffen, um mich für das Buch zu interessieren."
Fazit von CM : Ich hatte meine Schwierigkeiten mit dem Buch, empfehle es aber.

Boxenstopp von Christiane Neudecker ist ein sehr aktuelles Buch. Es erzählt in Rückblenden die Geschichte einer Journalistin, die in Portugal einen Monat lang die Vorstellung eines neuen Autos moderieren soll. Der mächtige "Automugul" wirft ein Auge auf sie, bekommt aber eine Abfuhr. Nicht gewohnt, irgendetwas verwehrt zu bekommen, setzt er nun alles daran, sie zu zerstören und lächerlich zu machen. Für AM zeigt das Buch, wieviel Macht solch eine Wiedeking-Piëch-Figur haben kann. In die Geschichte eingewebt sind Bezüge zu aktuellen Vorfällen wie den Lustreisen oder dem Versicherungsskandal.

An dieser Stelle verließen dann einige der Zuschauer den Raum, was CM zu einigen Seitenhieben veranlasste.

Im letzten Buch Eisenkinder von Sabine Rennefanz vertritt die Autorin die (falsche) These, das die NSU um Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe entstand aus der Wut der DDR-Bürger auf die Wessis und aus der autoritären Erziehung in der DDR. Nach Meinung von CM ein gutes Buch, das zum Nachdenken anregt. Der Epilog ist das Interessanteste, aber die vielen Stellen mit "Erinnerungsprosa" stören empfindlich.



Mein Fazit aus der Veranstaltung : Obwohl Jana Hensel, Jakob Augstein und Jörn Dege nicht da waren, war es für mich keine vertane Zeit. Michael Angele und Clemens Meyer haben das Beste aus der Situation gemacht. Vielen Dank dafür !


An dieser Stelle noch beste Genesungswünsche an Jana Hensel, Jakob Augstein und Jörn Dege !

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Anchesa

In meiner Gedankenwelt ist kein Platz für Rassismus. - Dieter Hallervorden -

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