Die Liebeshandlung (11-200) || Erste Eindrücke

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Dieser Text ist Teil eines Projekts: Wir lesen gemeinsam Die Liebeshandlung von Jeffrey Eugenides.

Dies ist das erste Mal, das ich Eugenides lese, ja das erste Mal, das ich von ihm hörte.
Bis jetzt habe ich völlig andere Autoren bevorzugt, Jane Austen, Elizabeth Peters, Andreas Franz, Christian Jaqc, viel viel viel über Ägypten. Also eher der Taschenbuch-Typ. Deshalb war ich auch sehr gespannt auf unser Projekt.
Und Eugenides hat mich schon in seinen Bann gezogen. Anfangs hatte ich einige Probleme mit seinem Stil, dem Verweben der Zeitebenen. Es erinnerte mich doch sehr an Jussi Adler-Olsens Erbarmen. Mittlerweile mag ich diese Sprünge.
Ich entdecke in dem Buch einiges, was mich an ein Leben erinnert, manchmal bei Madeleine, manchmal bei ihren Freunden. Das macht es sehr spannend für mich. Zum Beispiel findet sich einiges von Madeleines Büchersammlung auch bei mir. Und ihr Thema der Hausarbeit könnte im Moment auch gut mein Thema sein.
Spannend finde ich die Verweise auf die verschiedenen Romane und Autoren. Habe da schon einiges für mich gespeichert. Middlemarch und Bildnis einer Frau (Seite 41) werd ich mir besorgen. Ob ich mich allerdings an Derrida auch rantraue, weiß ich noch nicht.
Am meisten in dem Buch gefällt mir der stillen unterschwelligen Humor. Zum Beispiel nach einem Streit mit ihrem Freund Dabney, in dessem Verlauf Madeleine ihm na sagen wir mal, etwas weniger Intelligenz zutraut und sich beide trennen, folgendes :

"Am Ende mußte Madeleine zugeben, dass Dabney viel flüssiger redete, als sie es ihm zugetraut hatte. Er war auch in der Lage, eine ganze Palette von Emotionen darzustellen, Wut, Abscheu, verletzten Stolz und andere zu simulieren, einschließlich Zuneigung, Leidenschaft und Liebe. Er hatte eine große Karriere in Soaps vor sich. (S. 66)

Oder hier. Madeleine wartet auf den Anruf von Leonard.

"Mein Gott! Leonard? Entschuldige! Ich dachte, du wärst mein Vater. Er rastet jetzt schon wegen Plänen für die Abschlussfeier aus."
"Ich hatte auch eben einen kleinen Ausraster."
"Warum?"
"Wegen des Anrufs bei dir."
Das war gut. Madeleine strich sich mit einem Finger über die Unterlippe. Sie sagte: "Hast du dich beruhigt, oder willst du später noch mal anrufen?"
(S. 93)

Madeleine und Leonard gehen ins Kino, erfinden neue Adjektive (klasse Szene S. 95-97) und landen schliesslich bei Leonard und in einer anstrengenden Beziehung. Sie trennen sich aber, nachdem Madeleine ihre Liebe zu Leonard gesteht. Und dann erfahren wir von Mitchell, ihrem ersten Collegfreund (Typ Schwiegereltern-Traummann). Wieder eine schwierige Beziehung. Schwierig für Mitchell.

"Mitchells Beziehung zu Madeleine Hanna - diese lange, erwartungsvolle, sporadisch vielversprechende, aber frustrierende Beziehung - hatte auf einer Togaparty in der Orientierungsphase am Anfang des ersten Semesters begonnen." (S. 114)

Was für ein Satz ! Da Madeleine nur einen Freund in Mitchell sieht, verläuft sich das Ganze...
Dann stürzen wir in Madeleines Liebeskummer um Leonard. Ein tiefer, langer Sturz. Madeleines einziger Halt und Trost in dieser Zeit scheint Die Sprache der Liebe zu sein, das Buch, das sie Mitchell im Moment des Streites an den Kopf warf.

"Die Sprache der Liebe war das ideale Heilmittel für Liebeskranke. Ein Reparaturhandbuch fürs Herz, mit nur einem Werkzeug, dem Gehirn. Wenn man seinen Kopf gebrauchte, wenn man sich bewusstmachte, wie Liebe kulturell konstruiert war, und man begann, die eigenen Symptome als rein mentale zu begreifen, wenn mann anerkannte, dass "Verliebtsein" bloß eine Idee war, dann
konnte man sich von dessen Tyrannei befreien. Madeleine wusste das alles. Das Problem war nur, es funktionierte nicht."
(S. 129)

Leider !


Madeleine fällt, versinkt im Kummer, vergisst die Welt und ihr Leben.

Einige Stellen im Buch gehen tief, hängen mir lange im Kopf.

"... Die Einsamkeit war extrem, weil sie nicht physisch war. Extrem, weil man sie auch im Beisein der geliebten Person empfand. Extrem, weil sie im Kopf war, dem einsamsten aller Orte."
(S. 106-107)

Ich hänge ein wenig fest, lese immer wieder von beider Liebeskummer und habe diese Stelle im Kopf...
Festgefahren.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Anchesa

In meiner Gedankenwelt ist kein Platz für Rassismus. - Dieter Hallervorden -

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