... dann gibt's was auf den Deckel

KOMMENTAR Erziehung gegen rechts

Gerhard Schröder hat seine Sommerreise durch den Osten Deutschlands, gemessen an den Popularitätswerten, bravourös bewältigt. Neben aller symbolischer Nächstenliebe zu Gunsten der ökonomisch schwächelnden Ostdeutschen musste er sich in geeigneter Weise zu dem unübersehbaren Problem rechtsradikaler Gewalt in Deutschlands Osten verhalten. So ließ sich dann am Rande der Sommerreise auch einiges über die spezifisch Schrödersche Wahrnehmung »des Problems« erfahren. Die Reise hatte ihn beispielsweise in die Polizeidienststelle Wittenberg geführt, wo ihm Beamte der Einsatzgruppe gegen Ausländerfeindlichkeit »MEGA« umgehend das Ergebnis von vier Wochen akribischer Arbeit präsentierten: beschlagnahmt hatte man zahlreiche Pistolen, Wurfsterne und umfangreiches rechtsradikales Propagandamaterial. Die forsche Reaktion des Kanzlers sollte nicht auf sich warten lassen. »Da geht ein Stück Zivilisation verloren«, meinte er. In seiner unnachahmlichen Art fand er folgende entlarvende Worte an die Adresse der gewalttätigen Rassisten: »Die müssen wissen, es gibt was auf den Deckel, wenn sie nicht spuren.« Der Arroganz der Macht scheinen offensichtlich keinerlei Grenzen gesetzt zu sein. Was sich innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion und auf den Parteitagen im Interesse der »Geschlossenheit der SPD« zunehmend als erfolgreich erweist - die Ruhigstellung missliebiger Querulanten -, müsste sich doch in anderen Zusammenhängen ähnlich effektiv anwenden lassen. Es sind in Schröders beschränkter Sicht jeweils ein paar fehlgeleitete Ruhestörer, die bockig und unverbesserlich dem unwiderstehlichen Erfolg des Ganzen im Wege stehen. Bereits der mit den Kraftwerksbetreibern einvernehmlich hergestellte Atomkonsens hatte entsprechend der bewährten Technik des sozialen Friedens das erwünschte Ergebnis gezeitigt, wonach eine langjährige, die Gesellschaft polarisierende Auseinandersetzung zunächst eingeebnet worden war - bis zu den nächsten Castor-Transporten. Gelegentlich räumt er »Versäumnisse der Politik« in der Bekämpfung des Rechtsextremismus an. Der mediokre Paternalismus des Kanzlers darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass die wachsenden »Kollateralschäden« des inzwischen konkurrenzlosen Neoliberalismus - beziehungsweise eines sich stetig verschärfenden sozialökonomischen Konkurrenzkampfes -, wie sie sich in einer neuen sozialen Bewegung von rechts außen verkörpern, keineswegs nach jeweiliger machtpolitischer Opportunität einzuhegen sind. Exemplarisch offenbaren sich hier vielmehr die »Grenzen der Belastbarkeit« der Manövriermasse Wahlvolk. Die braunen Geister, welche man bisher allzu ungeniert rief, werden sie nun nicht mehr los.

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