Quem vai poder morar em Lisboa?

Gentrifizierung Lissabon lockt immer mehr Menschen an. Doch das Leben in der Metropole wird zunehmend zu einem Privileg. Gegen den Gentrifizierungsprozess regt sich Widerstand.

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Der Tourismus hat wesentlichen Anteil daran, dass das Leben in Lissabonner Vierteln wie Alfama immer teurer wird
Der Tourismus hat wesentlichen Anteil daran, dass das Leben in Lissabonner Vierteln wie Alfama immer teurer wird

Foto: Patricia de Melo Moreira/AFP/Getty Images

„Es ist eine Stadt für Hotels, den Handel und reiche Leute“, beschreibt Lurdes Pinheiro das Stadtbild Lissabons. Sie arbeitet in dem Verein Associação do Património e População de Alfama (APPA), der ein Teil der Bewegung Morar em Lisboa bildet. Diese relativ neue Bewegung engagiert sich gegen den Gentrifizierungsprozess und will in der Stadt ein Leben für alle ermöglichen. Bisher arbeiten die Mitglieder der Bewegung mit über 30 Organisationen und über 40 Experten aus den Bereichen Wissenschaft und Architektur zusammen. Um die 4.000 Anhänger unterstützen Morar em Lisboa mittlerweile. Besonders auf der parlamentarischen Ebene versucht die Bewegung eine Veränderung herbeizurufen. Denn im Laufe der letzten Jahre hat sich die Lebens- und Wohnsituation in Lissabon stark verändert. Ein Leben in der Metropole wird immer mehr zum Privileg für wenige. Der drastische Anstieg von Mieten und Immobilienpreisen führt zur Exklusion aus dem Stadtinneren und zwingt die Leute dazu, in die Randbezirke der Stadt zu ziehen. Allein in den letzten vier Jahren sind die Mieten um bis zu 36 Prozent und die Immobilienpreise um 46 Prozent gestiegen. Seit 2001 hat Lissabon durch diese Entwicklungen schon 40.000 Einwohner verloren.

Tourismus: Fluch und Segen

Einer der Gründe für den Gentrifizierungsprozess ist der stark wachsende Tourismussektor in Lissabon. Im Jahr 2016 hat die Stadt das erste Mal über 10 Millionen Touristen pro Jahr gezählt. Das bedeutet einen Anstieg von 7,4 Prozent in den letzten sieben Jahren. Die politischen Akteure stimmt dieser Zuwachs optimistisch. Der Tourismus ist ein immer größer werdender wirtschaftlicher Sektor im ganzen Land, der auch viele Arbeitsplätze schafft. Dass es sich dabei hauptsächlich um befristete Niedriglohnjobs handelt, spielt dabei keine große Rolle, da Portugal seit der Finanzkrise mit einer hohen Arbeitslosigkeit zu kämpfen hat. Der neu entstandene Geldfluss lockt auch viele Investoren und Immobilienbesitzer nach Lissabon. Immer mehr Häuser werden aufgekauft und in Hotels oder Ferienwohnungen umgewandelt. Denn Touristen seien per se bereit, mehr Geld auszugeben als dauerhafte Bewohner. So sind auch die Gewinnspannen höher.

Einwohner werden durch diese Entwicklungen aus ihren Wohnungen gedrängt. Das Angebot für langfristige Wohnungen wird geringer und die Mieten steigen. Sucht man auf einer bekannten Internetplattform, findet man beispielsweise für den beliebten Stadtteil Alfama Einzimmerwohnungen für eine monatliche Miete bis zu 1.000 Euro. Wenn man bedenkt, dass der monatliche Mindestlohn in Portugal bei 557 Euro und der Durchschnittslohn bei ca. 830 Euro im Monat liegt, wird schnell klar, dass ein Großteil der portugiesischen Bevölkerung sich solche Mieten nicht leisten kann.

Lissabon verliert sein Gesicht

Der Stadtteil Alfama ist eine der bekanntesten Touristenhochburgen Lissabons. Doch auch dieser Stadtteil verliert immer mehr Einwohner. Allein im Jahr 2013 sind 2.000 Wahlberechtigte aus dem Stadtteil weggezogen, so Pinheiro. Durch den Wegzug befürchtet die Organisation einen Charakterverlust des Stadtteils. Organisationen wie die APPA setzen sich auch für den Erhalt der historischen Architektur und der Gastronomie ein. Laut Lurdes Pinheiro schließen immer mehr einheimische Restaurants. An ihrer Stelle eröffnen hochpreisige Restaurants und international bekannte Ketten, die Essen zu tendenziell hohen Preise anbieten. Es wird dadurch auch immer schwieriger, die für Portugal typischen Mittagsteller (Prato do Dia) in Restaurants zu finden, eine günstige Mahlzeit für die arbeitende Bevölkerung.

Auch der bekannte Ausgehort Bairro Alto wird seinen Bewohnern langsam fremd. Er ist besonders aufgrund der vielen Cafés, Bars und des bunten Nachtlebens beliebt. In den letzten Jahren hat Bairro Alto bei den Einheimischen durch Preiserhöhungen und dem stärker werdenden touristischen Ambiente aber an Attraktivität eingebüßt. Das „einheimische“ Nachtleben wird teilweise schon in die außerhalb gelegenen Stadtteile verlegt.

Trotz der vielen negativen Entwicklungen ist Pinheiro dem Tourismus grundsätzlich positiv eingestellt. Sie betont, dass man in der Organisation an sich nichts dagegen habe. Man sei sich der Wichtigkeit von Touristen für den wirtschaftlichen Sektor durchaus bewusst. Es liege aber in der Aufgabe der Politik, vernünftige Regularien zu finden, die den Tourismus fördern, ohne den Einheimischen ihren Wohn- und Lebensraum wegzunehmen.

Politik für Investoren

Die Politik hat diese Entwicklung bisher eher forciert. Im Rahmen der Finanzkrise kam es zu einer Liberalisierung des Wohnungsmarktes, was besonders die Immobilienspekulation gestärkt hat. Die beiden bekanntesten politischen Gesetzgebungen, Regime Fiscal para Residentes não habituais und das Golden Visa, zielen darauf ab, wohlhabende ausländische Investoren in das Land zu bringen. Diese profitieren von Steuervorteilen und einer langfristigen Aufenthaltserlaubnis. Der Erwerb von Immobilien wird für Investoren erleichtert, während für die Bewohner die Mieten aufgrund von Sanierungen drastisch in die Höhe steigen. Auch wird durch die Spekulation mit Leerraum das Wohnungsangebot vermindert. Denn die Investoren hoffen durch die immer höher werdenden Wohnungspreise auf höchstmögliche Renditen.

Eine Bewegung gegen die Gentrifizierung

Gegen diese Missstände will die Bewegung Morar em Lisboa nun aktiv werden. Im Vordergrund steht der Wille, eine alternative Entwicklung in Lissabon zu fördern, die ein ökonomisches Gleichgewicht für den Zugang zu Wohnraum schafft. Im öffentlichen Raum sollen kulturelle und sportliche Angebote sowie ein Zusammenleben ermöglicht werden. Was auf den ersten Blick noch allgemein klingt, soll ein konkreter Paradigmenwechsel in der Politik bedeuten. Im Wohnungsmarkt soll hierbei besonders die kurzfristige Nutzung von Wohnungsraum reguliert werden und zeitgleich das Angebot für langfristige Bewohnung gestärkt werden. Beispielsweise sollte es beim Kauf eines Gebäudes nicht möglich sein, alle Wohnungen in Ferienwohnungen zu transformieren. Auch soll es keinerlei steuerliche Vorteile mehr für Besitzer geben, die nicht die Absicht haben, Wohnungen langfristig zu vermieten. In anderen europäischen Städten gibt es bereits einzelne Gesetzesvorhaben, die in eine ähnliche Richtung gehen, beispielsweise in Berlin und Barcelona, wo die Plattform Airbnb einigen Einschränkungen unterliegt.

Grundsätzlich vermissen die Mitglieder der APPA Initiativen der Stadtverwaltung für ihre Bürger. Sie beklagen, dass diese momentan die Investoren bedient und kein Interesse daran hat, den Tourismus und Wohnungsmarkt zu regulieren. Aus diesem Grund gehören Dialoge mit Politikern und anderen entscheidenden Akteuren zu den Hauptaufgaben von Morar em Lisboa. Darüber hinaus versucht die Bewegung mit öffentlichen Aktionen die Menschen auf ihre Rechte aufmerksam zu machen: „Wenn es zu einer Vertragsauflösung für den Mieter kommt, hat dieser das Recht, sich dagegen zu wehren. Leider werden seine Rechte aber nicht offen kommuniziert. Deshalb versuchen wir das Bewusstsein zu wecken, damit die Menschen sich besser verteidigen können.“ Mit Informationsveranstaltungen, solidarischen Grillfesten und der Unterstützung bei Räumungen wollen sie die Einwohner aufklären und ihnen eine Stimme geben. Eine Petition, die alle ihre Forderungen untermauern soll, wird momentan von über 3.000 Personen unterstützt.

Eine Veränderung der Situation erhofften sich einige durch die kommenden Kommunalwahlen im Oktober. Doch es gab keine großen Veränderungen in den Mehrheitsverhältnissen, die den Paradigmenwechsel in der Wohnungspolitik einleiten würden. Denn beide Volksparteien Portugals, Partido Socialista und Partido Social Democrata, zeigten bisher kaum Ambitionen, gegen Gentrifizierungsentwicklungen vorzugehen, daher scheint es unrealistisch, dass es in der näheren Zukunft eine 180-Grad-Wende der beiden Parteien geben wird. Es wird daher weiterhin eine Aufgabe von Bewegungen wie Morar em Lisboa bleiben, ihre Belange in den politischen Diskurs einzubringen, um mit einer breiten Mehrheit für nachhaltige und sozial gerechte Stadtpolitik einzustehen.

Erstmals erschienen im Matices Magazin

Der Beitrag erschien erstmals im Magazin Matices
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