Der Punkt hinter dem Parteinamen mag modern sein, auch wenn ein Doppelpunkt anerkanntermaßen Dialogorientierung, der Punkt dagegen den Abschluss, das Fertige suggeriert. "Die Linkspartei Deutschlands" wäre eine gewisse Einschränkung, doch ebenso wie das nun Gewählte auch eine (Dis)Qualifizierung anderer sich selbst links definierender Parteien in diesem Land. Nur ist das im politischen Wettbewerb wohl legitim. Der Verzicht auf den Landeszusatz bei gleichzeitiger Verwendung des bestimmten Artikels allerdings ist problematisch, denn in Schweden gibt es eine Linkspartei, die älter ist als PDS und WASG zusammen.
Aber seien wir nicht marxistischer als Marx. Es geht nach meiner Überzeugung um sehr viel Wichtigeres. Das Antreten von Oskar Lafontaine, nun auch von Ulrich Maurer und anderer WASG-Mitglieder auf offenen Listen der PDS (dann: Die Linkspartei.) und die mittelfristige Bildung einer bundesweiten, neuen linken Partei können - wie die Debatten und Umfragen zeigen - die politische Tektonik in Deutschland erschüttern und nachhaltig verändern. Im Interesse von Millionen Menschen, die bisher nur Gegenstand der Politik sind, konkreter: einer faktischen Konsenspolitik der SPD-CDU-CSU-FDP-Grünen zum Sozialabbau. Der Systemumbau von einer mehr oder minder ausgebauten "sozialen Marktwirtschaft" zur radikalen Marktgesellschaft ist weit vorangetrieben. Die Umkehr wird schwierig, zumal sie keine Rückkehr sein kann, sondern die neuen sozialen, kulturellen, demografischen, ökologischen und weltwirtschaftlichen Bedingungen aufnehmen muss.
Sicher ist die Frage des künftigen Parteinamens, da sie mit der Frage nach Identitäten korrespondiert, von einigem Gewicht - doch wenn Millionen Menschen, wenn politische Alternativen wieder eine Stimme erhalten können, darf die Namensfrage diese Chance nicht überlagern.
Insofern ist auch der Vorwurf aus der PDS in Sachsen-Anhalt, die WASG sei etatistisch, in mehrfacher Hinsicht unangebracht. Erstens hat die WASG in der kurzen Zeit ihrer Existenz bereits eine relativ komplexe Programmatik hervorgebracht. Zweitens sind die Übereinstimmungen mit PDS-Positionen sehr groß. Drittens steht wohl weder für die WASG noch die PDS die Frage nach anti-etatistischer contra etatistischer Politik, sondern die Frage, dass der Staat gegenüber der Bürgergesellschaft und der Freiheit der Einzelnen zurückgenommen werden muss (während ihn Rot-Grün gemeinsam mit CDU/CSU nicht nur bei der Hartz-IV-Gesetzgebung zum Vehikel des Sozialdumpings und einer Entwürdigung der Betroffenen gemacht hat). Gegenüber den großen Unternehmen, dem Markt und nicht zuletzt dem Weltfinanzmarkt muss der Staat dagegen dringend als wirksames Instrument der Sozial- und Wirtschaftspolitik sowie zum Schutz der Bürger, der Umwelt und der Kultur gegen die totale Vermarktung zurückgewonnen werden, sonst kann die Linke einpacken. Erst das Kapital von seinen politischen und sozialen Fesseln befreien und sich dann - wie Müntefering - darüber beklagen, dass es sich kapitalistisch verhält, ist entweder Zynismus oder ein schlechter Wahlkampf.
Die kritischen Stimmen aus der PDS, WASG und von anderen sind in einer Hinsicht jedoch sehr ernst zu nehmen: "Die Linkspartei." muss in einem transparenten und öffentlichen Prozess ein überzeugendes, zeitgemäßes, strategisches Fundament erhalten. Die vorhandene, knappe gemeinsame Erklärung mag angesichts des Zeitdrucks, unter dem sie entstand, aller Ehren wert sein - aber sie ist bei weitem kein Ersatz dafür.
Das führt zurück zur Frage ihres Namens. Als die Delegierten des außerordentlichen SED-Parteitages Anfang Dezember 1989 den sprachlich eher spröden Namen "Partei des Demokratischen Sozialismus" wählten, entschieden sie sich damit für das Versprechen, den schwierigen, widerspruchsvollen und langwierigen, aber ehrlichen und zutiefst linken Bruch mit der SED zu vollziehen. Fast nichts galt der SED-Führung bis dahin als größerer Verrat an ihrer Politik als der "Demokratische Sozialismus". Als die schwedischen Kommunisten sich 1990 von Linkspartei-Kommunisten in Linkspartei umbenannten, war das gleichermaßen die unumkehrbare, in ihrer Mitgliedschaft lange vorbereitete und weit gediehene Abkehr vom Parteikommunismus. Mit diesem Schritt war eine Öffnung verbunden, um neuen linken Herausforderungen wie dem Feminismus und der Ökologie gewachsen zu sein. Die schwedische Linkspartei hat danach in den Augen der Bevölkerung, nicht zuletzt jüngerer Menschen, tatsächlich ein modernes linkes Profil gewonnen und beachtliche Erfolge verzeichnet. Dem gegenüber mögen die Revision des Namens der Italienischen Kommunistischen Partei (PCI) hin zu der Bezeichnung Linksdemokraten (DS) und der davon ausgelöste Wandel zu einem eher diffusen Mitte-Links-Profil ein warnendes Beispiel sein. Wenngleich die PCI anders etwa als PDS und WASG oder die einstige schwedische KP eine Partei mit Masseneinfluss war und bei Wahlen fast ein Drittel der Stimmen erreichen konnte. Ihr unter der Führung von Massimo D´Alema ausgeprägter rechter Sozialdemokratismus führte nicht nur zu Abspaltungen, sondern hat zweifellos zu Berlusconis Wahlerfolg 2001 beigetragen.
Für eine Linke, die es mit Demokratie und Transparenz ernst nimmt, sollte ein Namen wirklich ein Zeichen (omen) setzen, wenn andererseits auch nicht übersehen werden darf: Einen Namen gibt man sich, aber man kann ihn sich auch machen. Das ist viel wichtiger.
Der Autor ist Abgeordneter des Europäischen Parlaments in der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL)
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