75 Jahre Rosa von Praunheim

Revue JEDER IDIOT HAT EINE OMA, NUR ICH NICHT in den Kammerspielen des DT Berlin

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Vor zwei Jahren hatte es mal meine (in der Zwischenzeit fast 90-jährige) Mutter in die Ausstellung Blumen, Schwänze, Sterne der Berlin-Charlottenburger Raab Galerie verschlagen - eine Werkeschau mit Bildern von Rosa von Praunheim. Diesen heißen Tipp gab ich ihr, und sie hatte ja (vor vielen, vielen Jahren schon) durch/über mich von Rosa Einiges erfahren, und so war sie freilich absolut im Bilde und tat daher meinen "Rezensionsauftrag" auf das Bereitwilligste übernehmen...

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Daran musste ich jetzt denken, als ich in den Kammerspielen des DT gesessen hatte, wo - aus Anlass seines 75. Geburtstages - die zweistündige Kurzvita-Revue Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht abgehalten wurde:

Božidar Kocevski machte sich mit Heiner Bomhard auf die Reise durch das kunterbunte Praunheimleben,

"das von Sexualität genauso geprägt ist wie von der ständigen Angst, am Abgrund zu stehen. Angefangen bei der Kindheit und ersten Abenteuern in New York und Los Angeles, wird es Wiederbegegnungen der ganz eigenen Art mit Lotti Huber und Tante Luzi genauso geben wie mit Rosas Mutter.
In frech-frivolen Songs mit Titeln wie
Kleiner Penis, Analverkehr oder Sex After Death wird es nicht nur um vordergründige Provokation gehen, sondern immer auch um die Verletzlichkeit und bevorstehende Endlichkeit nach 75 lebhaften Probejahren, Träume in die Realität zu verpflanzen." (Quelle: deutschestheater.de)

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Also:

Es wird viel gesungen, musiziert, getanzt. Ausstatter Viktor Reim hat eine schöne Showtreppe in die Mitte der Drehbühne gestellt, auch hat er die beiden hochagilen und zu permanenten Lustigkeiten aufgelegten Protagonisten in schrille Kostüme und unter zig Perücken gesteckt.

Das virulente Um-die-Welt-herum-Gehetztsein Rosas tut man, stichpunktartig freilich "nur", im Schnelldurchlauf erfahren.

Es gibt selbstverständlich viel zu lachen - und zum Brüllen beispielsweise die Bavaria-Szene, in der Božidar sein bestes Stück, zwischen die Beine nach hinten gezogen, kurzerhand mal so verschwinden lässt und derart einen Frauenunterleib zum Gaudi aller ihn Besichtigenden simuliert.

Zu sehen sind zig Ausschnitte aus Rosas Spiel- und Dokumentarfilmen, sowieso ist die "Stimme des Herrn" etliche Male per Tonband zu hören - und beim Schlussapplaus ist er gar plötzlich höchstpersönlich anwesend...

Rosas Melancholie gepaart mit seinem überlebenswichtigen Humor vermittelt bekommen zu haben, war und ist die Quintessenz des von ihm selber inszenierten Stücks über sich selbst.

Konfetti-Tusch auf ihn! Hoch soll er leben!! Hoch, hoch, hoch!!!

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 10.10.2018.]

JEDER IDIOT HAT EINE OMA, NUR ICH NICHT (Kammerspiele, 09.10.2018)
Regie: Rosa von Praunheim
Bühne und Kostüme: Viktor Reim
Musik: Heiner Bomhard
Dramaturgie: Ulrich Beck
Mit: Heiner Bomhard und Božidar Kocevski
Uraufführung am Deutschen Theater Berlin: 21. Januar 2018
Weiterer Termin: 17.11.2018

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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