ALCINA an der Deutschen Oper am Rhein

Premierenkritik Händel-Oper mit der Neuen Düsseldorfer Hofmusik

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Alcina (mit der Musik von Händel) ist schon schön - Alcina (in der Inszenierung von Lotte de Beer [die Regisseurin kennen wir bereits aus Lulu an der Oper Leipzig]) ist dagegen doof.

"Die Zauberin Alcina ist die Herrscherin über eine Insel der Lüste. Mit betörenden Sirenengesängen zieht sie Männer in ihren Bann, verführt sie und verwandelt sie, wenn sie ihrer überdrüssig ist, in Steine, Pflanzen oder Tiere. Auch Ruggiero verliebt sich in die geheimnisvolle Fremde, doch seine Verlobte Bradamante macht sich auf den Weg, ihn zu finden...
Georg Friedrich Händel (1685-1759) schuf mit seiner
Alcina nicht nur ein Meisterwerk über die Kunst der Verzauberung, Täuschung und Verblendung, sondern lotete in Arien, die zu den berührendsten der Barockoper zählen, die menschlichen Leidenschaften und Enttäuschungen kongenial aus. Wenn am Ende Alcinas Zauberreich untergeht, sehen wir hinter der Fassade einer gefährlichen Femme fatale eine zutiefst einsame Frau, die durch die Liebe ihre Macht verliert und umgekehrt erst im Verlust der Macht zu lieben vermag." (Quelle: operamrhein.de)

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Weil dem [s.o.: "schon schön", "dagegen doof"] - nach unserer unmaßgeblich-spontanen Wahrnehmung während der gestrigen Premiere - halt so war, beginnen wir unsere Nachbetrachtung erst einmal mit dem schon Schönen:

Die grandiosen MusikerInnen der Neuen Düsseldorfer Hofmusik, dem in der Landeshauptstadt einzig-exklusiven Vorzeigeensemble zur Bewahrung und Hervorbringung historisch-aufführungspraktisch geschulter sog. Alter Musik (wo eben auch Barock mit inbegriffen ist), hatten und haben im Orchestergraben der Deutschen Oper am Rhein wiederholt Stellung bezogen; und wir erinnern uns in dem Zusammenhang an ihre wunderbaren Darreichungen aus zurückliegenden Jahren, wo sie hier z.B. Händels Xerxes oder ihren hochspektakulären Zyklus mit den drei Rameau-Opern (Les Paladins, Platée, Castor et Pollux) absolvierten!

Der in letzter Zeit verstärkter Maßen mit diversen Wagner- oder Straussopern auch über NRW hinaus strahlende Düsseldorfer Generalmusikdirektor Axel Kober (der mit dem Ensemble schon bei einem der Rameaus zusammenarbeitete) machte nun bei seinem Dirigat der Händel´schen Alcina eine durchaus akzeptabele Figur. Das heißt, dass er sich - und obgleich ihm völlig klar ist, dass er nicht zum elitären Spezialistenzirkel der meist ausschließlich Alte Musik betreuenden Weltpultstars zählen dürfte - neugierig einem für ihn mehr handwerklich bereichernden und stimulierenden Experiment zu stellen willens war; mit diesem schönen Resultat verübten künstlerischen Ehrgeizes steht er, ganz nebenbei bemerkt, in einer auffälligen Reihe mit Sir Simon Rattle oder Kent Nagano, die "so etwas" auch gelegentlich mit Lust & Leidenschaft betreiben. Und vom Orchestralen her glückte der Abend also ganz und gar!!

Aus dem Oktett des sängerischen Personals stachen die beiden exzeptionell sich stimmlich als wie stimmgestalterisch behauptenden Maria Kataeva (als Ruggiero) und Shira Patchornik (als Morgana) hervor.

Hervor stach freilich auch Jacquelyn Wagner (in der Titelrolle) - allerdings in etwas weniger erfreuenderem Sinn; ihr zwitschernder Sopran wirkte beinahe schwerelos und ließ sodurch gewisse Seelentiefenwanderungen nicht erst aufkommen, allein dass sie an eklatanten Nebenwirkungen hinsichtlich einer Überdosis unverordnet eingenomm´ner Vibrationstropfen zu laborieren schien, schmälerte den Gesamteindruck ihrer durch uns speziell an diesem Abend live erlebten Stimme. Wir vermuten, dass sie schlicht und einfach fehlbesetzt wurde und letztlich völlig unschuldig an ihrem eigenen Dilemma war. Im Übrigen: Wir kennen sie selbstredend auch als unangreifbare Mozart- und Straussängerin, und als solche tat sie vor paar Jahren an der DOB gleißend brillieren.

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Doof dagegen [wie hinlänglich angemahnt] empfanden wir die Inszenierung von de Beer:

Das Bühnenbild von Christof Hetzer, welches ein paar fahrbare Gebäude-Stahlträger als imitierte Zivilisationsbehausungen inmitten der von fettFilm aufzitierten Südsee-Insellandschaft zeigte, tat sich als ein Urlaubsplatz von scheinbar zufällig anwesenden Urlauberinnen und Urlaubern manifestieren; und man war dortselbst gleich zu Beginn mit Grasrauchen beschäftigt. Aber statt dem Inhalieren dieses wundervollen Wirkstoffs nervengefäßerweiternde Bilder und Szenen folgen zu lassen, begnügte sich der an szenischer Einfallslosigkeit unüberbietbare Regieansatz mit pseudopsychologischen Mätzchen etwa dergestalt, dass (beispielsweise) eine Art von Baba Jaga allem Anschein nach Alcinas Mutter oder Übermutter personifizieren sollte, und ihr urplötzliches Auftreten sollte womöglich suggerieren, dass ihr Töchterchen ruhig konsequent an ihrem Lebenswerk-Konzept, was auf Entsorgung/ Ausschaltung der vorher sexuell gebrauchten Männer (Grundsatz: Männer sind am Ende alle scheiße) zielte oder so, festhalten sollte; dreimal "sollte", wie gesagt.

Alles in Allem, in Bezug auf Hetzer & de Beer:

Kläglich & krampfig.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 15.02.2020.]

ALCINA (Opernhaus Düsseldorf, 14.02.2020)
Musikalische Leitung: Axel Kober
Inszenierung: Lotte de Beer
Bühne: Christof Hetzer
Kostüme: Jorine van Beek
Licht: Alex Brok
Video: fettFilm
Konzeptionelle Mitarbeit: Peter te Nuyl
Dramaturgie: Anna Melcher
Besetzung:
Alcina ... Jacquelyn Wagner
Ruggiero ... Maria Kataeva
Morgana ... Shira Patchornik
Bradamante ... Wallis Giunta
Oronte ... Andrés Sulbarán
Melisso ... Beniamin Pop
Oberto ... Maria Carla Pino Cury
Neue Düsseldorfer Hofmusik
Premiere an der Deutschen Oper am Rhein: 14. Februar 2020
Weitere Termine: 16., 19., 22., 26., 28.02. / 01.03.2020

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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