Antrittskonzert von CHRISTOPH ESCHENBACH

Konzerthausorchester Saisonbeginn mit Mahlers SINFONIE DER TAUSEND

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Am 25. Februar 2020 wird Christoph Eschenbach satte 80 Jahre jung! Wenn ihm zu Ehren dann im Kleinen Saal des Berliner Konzerthauses am Gendarmenmarkt ein kammermusikalisches Geburtstagsfest mit Werken seiner Wünsche stattfindet, hat er bereits fünf Monate seines (seit gestern Abend) öffentlich bekleideten Chefdirigentenamtes hinter sich - ja und womöglich dürfte er der derzeit weltweit "Älteste" unter den Neuen sein; Chefdirigent wirst du nicht alle Tage, und so'n Posten ist halt auch nicht jederzeit vakant. Die Installierer derartiger Führungspositionen mit Weltantlitzpotenzial (im aktuell-konkreten Fall die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa) werden sich das allermeistens gründlich überlegen - und ganz selbstverständlich hätte das Orchester, dieses setzen wir jetzt einfach mal voraus, sowas wie einen "No-Name" nicht verdient; nomen est omen, wie es immer so schön heißt.

Knapp eine Woche nach dem offiziellen Amtsantritt von Kirill Petrenko als neuem Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker nun also der nächstfolgende Stabwechsel in der Weltmusikhauptstadt (allein mit 7 großen Sinfonie-/Opernorchestern!).

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Das Konzerthausorchester Berlin hatte - seit seiner Gründung als Berliner Sinfonie-Orchester anno 1952 - immer schon auf substanzielle Extragrößen setzen wollen; die bekannteste und auch berühmteste (aus alter DDR-Zeit) war Kurt Sanderling (1960-1977); Claus Peter Flor (1984-1992) führte es durch die sog. Wende, und ab da zog richtig internationaler Pultglanz in den Bau: Michael Schønwandt (1992-1998), Eliahu Inbal (2001-2006), Lothar Zagrosek (2006-2011) und Iván Fischer (2012-2018) gaben sich, in dieser Reihenfolge, ihre Dirigentenstäbe wechselseitig in die Hand...

Jetzt soll es Christoph Eschenbach - und hoffentlich (gute Gesundheit und Belastbarkeit vorausgesetzt) mehr als die drei vertraglich vereinbarten Jahre - leiten und bestimmen. „Mich hat die besondere Geschichte des Konzerthausorchesters und seines Hauses mit ihren Höhen und Tiefen fasziniert, in der sich die Geschichte Berlins widerspiegelt. Vom Künstlerischen wie vom Menschlichen war die Zusammenarbeit eine große Inspiration und ein Ansporn für meine Vorstellungen, wohin ich in den nächsten Jahren mit dem Orchester gelangen möchte.“ lässt der Dirigent sich auf der Website des Konzerthauses Berlin zitieren.

Und Konzerthaus-Intendant Sebastian Nordmann, der wohl maßgeblich an dem Zustandekommen dieses exklusiven Neubündnisses mitschmiedete, huldigt "seinem" Neuen so:

"Christoph Eschenbach ist ein Humanist und Weltbürger, den als Dirigenten neben enormer Musikalität die Fähigkeit auszeichnet, Musikerinnen und Musiker so zusammenzuführen, dass sie seinen Weg begeistert mitgehen. Wir freuen uns sehr, gemeinsam mit unserem Publikum unserem neuen Chefdirigenten und dem Konzerthausorchester Berlin auf dieser besonderen Reise zu folgen." (Quelle: konzerthaus.de)

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Eschenbach wählte nun Mahlers sog. Sinfonie der Tausend als (allein vom personellen Aufwand her) kaum steigerbaren und dem gegebenen Festivitätsanlass nach elitärstmöglichen Einstand, und warum auch nicht:

Der zweiteilige Mega-Schinken - eines der trotz seiner ressourcellen Größe etwas weniger bedeutsamen Werke des Dirigentenkomponisten - gipfelt nach dem aufschreienden "Veni, Creator Spiritus"-Pfingsthymnus in die nicht weniger hyperbedeutungsvoll verkomponierte Schlussszene aus GoethesFaust ab derem unheimlich-naturalistischen "Waldung schwanket heran" bis hin zum sprichwörtlichen letzten aller Weisheitssätze, der da heißt: "Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan." Dazwischen also jede Menge Mahler-Goethe oder Goethe-Mahler, je nachdem...

[Als ich die Sinfonie zum letzten Male live erlebte, gab es auch viel Optisch-Beipflichtendes in Gestalt von sieben 'rabbaumelnden Stelen von rosalie, der 2017 viel zu früh verstorbenen Lichtkünstlerin, in Hamburgs Elbphilharmonie zu sehen, was dann wiederum, und auf noch zusätzliche Art, diese geradezu verfängliche Textlastigkeit des Opus bloßzustellen in der Lage war.]

Und ehrlich angemerkt: Ich kann mich nicht an eine einzige Live-Darbietung der 8. Sinfonie von Gustav Mahler rückbesinnen, die mich auch nur annähernd "begeistert" hätte. Irgendwie vermute ich, dass es ein Ideal für seine Dargereichtseinsweise höchstwahrscheinlich gar nicht gibt - das Werk scheint überkomponiert, ja und die ganze Wucht seines Gewollten hat Verpuffendes; sehr merkwürdig das Alles.

So auch dieses Mal, also:

Zu grob, zu unelysisch musiziert.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 31.08.2019.]

ANTRITTSKONZERT CHRISTOPH ESCHENBACH (Konzerthaus Berlin, 30.08.2019)
Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 8 Es-dur Sinfonie der Tausend
Erin Wall, Michaela Kaune und Marisol Montalvo (Sopran)
Mihoko Fujimura und Gerhild Romberger (Alt)
Robert Dean Smith (Tenor)
Michael Nagy (Bariton)
Mikhail Petrenko (Bass)
Tschechischer Philharmonischer Chor Brno
Slowakischer Philharmonischer Chor
Staats- und Domchor Berlin
Konzerthausorchester Berlin
Dirigent: Christoph Eschenbach

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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