BENVENUTO CELLINI mit Sir John Eliot Gardiner

Musikfest Berlin Berlioz-Oper vermittels Orchestre Révolutionnaire et Romantique & Monteverdi Choir - ein Exzess der Superlative

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Vor zwei Jahren eröffnete Sir John Eliot Gardiner mit "seinen" Monteverdi Choir & English Baroque Soloists das MUSIKFEST BERLIN mit einem Monteverdi-Zyklus - L'Orfeo, Il ritorno d´Ulisse in patria undL´incoronazione di Poppea gab es da in halbszenischen Aufführungen.

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Dieses Jahr eröffnete er abermals, und diesmal hatte er das 1989 von ihm gegründete Orchestre Révolutionnaire et Romantique (was für ein Orchester!!!!!), nebst dem Monteverdi Choir (was für ein Chor!!!!!), dabei - und es gab, wieder halbszenisch, Benvenuto Cellini von Hector Berlioz, dessen 150. Todestag im Zentrum des 2019er Musikfests steht, zu rezipieren; hiermit tourt er augenblicklich durch Europa...

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Berlioz' Opéra-comique hat eine Handlung, die man schlicht und einfach nicht für möglich hielte, und von daher ist sie eigentlich vergessenswert; auch wäre ich [nicht unbedingt einer der glühendsten Berlioz-Fans auf dem Erdball] nie darauf gekommen, dass der Komponierer gar was "Komisches" geschrieben haben könnte; seinen Benvenuto, den ich nie zuvor gehört oder gesehen hatte, einschubladete ich a priori als womöglich ernst zu nehmende Biografie-Oper - nein, wie man sich doch irren kann!

"Der Komponist brachte ein Thema auf die Bühne, das ihn bereits in anderer Form beschäftigt hatte: Die Symphonie fantastique und Lélio oder die Rückkehr ins Leben behandelten 'Episoden aus dem Leben des Künstlers', teils als reine, an der klassischen Hauptgattung orientierte Instrumentalmusik, teils als Mischform aus Musik und Erzählung. Mit Cellini kam der Stoff endlich dorthin, wo er in Frankreich die größte Wirkung erreichen konnte, in die Oper. Die Geschichte um den Renaissance-Bildhauer spielt im Karneval, in dem die Verhältnisse Kopf stehen und Masken ebenso viel offenbaren wie verbergen. Durch das perfekte Kunstwerk gewinnt der Künstler seine Geliebte und Absolution von einem Faschingsmord." (Quelle: Musikfest Berlin)

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Der überraschungsreiche Abend mit beinahe wie im Flug vergangenen 200 Spielminuten wird als licht- und lustschwangere Offenbarung in Erinnerung verbleiben. Und allein die Tatsache, dass der Konzertbesucher einer ihn schier "einschüchternden" Schar von bis zu hundert (oder mehr) historisch-aufführungspraktisch geschulten und erprobten InstrumentalistInnen als wie ChoristInnen beiwohnend lauschen durfte, ließ nicht nur die Herzen aller anwesenden Fans Alter Musik bedenklich höher schlagen - Kent Nagano und Concerto Köln [kurz zum erhellenden Vergleich] pegeln sich seit geraumer Zeit auf Wagners Ring ein, der dann irgendwann und erstmals-einmalig ausschließlich auf historischen bzw. historisch-nachgebauten Instrumenten dargereicht sein soll und wird; der weitblickende Hörer Benvenutos kriegte, so gesehen, einen ungefähren Eindruck, wie (auch) Wagner diesbezüglich klingen könnte.

Um das Superlativistische für diesem Abend nicht zu übertreiben, nennen wir jetzt "nur noch" kurz paar Namen der natürlich auch solistisch brilliert habenden ProtagonistInnen - allen voran Michael Spyres in der Titelrolle, der bis an die Stimmbandgrenzen seiner Möglichkeiten ging, oder Sophia Burgos als Cellinibraut Teresa und und und [weitere Namen s.u.].

Das Publikum schien vor Begeisterung außer Kontrolle zu geraten und ward Zeuge eines wahren Hohefests des alten aber ewig jungen Gardiner und seiner Meistertruppen.

Ein Exzess.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 01.09.2019.]

MUSIKFEST BERLIN (Berliner Philharmonie, 31.08.2019)
Hector Berlioz: Benvenuto Cellini, Opéra Comique op. 23
Bewegungsregie: Noa Naamat
Lichtdesign: Rick Fisher
Kostüme: Sarah Denise Cordery
Besetzung:
Benvenuto Cellini ... Michael Spyres, Tenor
Teresa ... Sophia Burgos, Sopran
Giacomo Balducci ... Maurizio Muraro, Bass
Ascanio ... Adèle Charvet, Mezzosopran
Papst Clemens VII. ... Tareq Nazmi, Bass
Francesco ... Krystian Adam, Tenor
Fieramosca ... Lionel Lhote, Bariton
Bernardino ... Ashley Riches, Bassbariton
Perseus ... Duncan Meadows, Schauspieler
Monteverdi Choir
Orchestre Révolutionnaire et Romantique
Dirigent: Sir John Eliot Gardiner
Halbszenische Aufführung

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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