Berliner Philharmoniker: TOSCA, konzertant

Konzertkritik Der Rattle wählt die Opolais zur Floria - ja und wir erinnern außerdem nochmal an unsere Beschwerde wegen dieser vor sich hin rostenden Parkbänke im Garten hinterm Haus

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Dass Simon Rattle ganz besonders mit Puccini kann, ist sicher nicht erst seit Manon Lescaut, die er mit den Berliner Philharmonikern zu Ostern vor drei Jahren aufführte, rein "urkundlich" belegt. Sein äußerliches als wie innerliches Aufbrausen, also dieses (besonders bei Puccini) Unentbehrlichscheinende in puncto Zügellosigkeit entpuppt sich freilich bei der Tosca, wo ja nun die Emotionen schier aus allen Nähten platzen, unbedingt als angebracht, in seinem individuellen Fall sogar als zwingend-wünschenswert. Will sagen: So, also in dieser expressiven Dirigierweise, macht letztlich nicht nur das alleinig-pure Zuhören sondern auch das auf Rattle fokussierte Zuschauen der Tosca Spaß...

Eingebetteter MedieninhaltKristīne Opolais war - wie bereits in Baden-Baden - für die Titelrolle engagiert. Die Floria gibt sie mittlerweile in der ganzen Welt; 2006 hatte sie hiermit an der Staatsoper Unter den Linden ihr Berlin-Debüt. Jetzt also bei und mit den Philharmonikern: Sie ist dann mehr der Typ der kühlen Blonden, eine Art von Marilyn mit oder mit nicht ganz so viel Belcanto - rein vom Schauspiel her ist das für ihre Rolle dieser Manisch-Eifersüchtigen fast schon perfekt, also der schauspielernde Glaubwürdigkeitsanspruch tut obsiegen, unbedingt. Nur stimmlich halt, nun ja, wünschte man sich für die Partie vielleicht ein Phönchen Feuer mehr.

Ja und Evgeny Nikitin [aus der "Verbannung", wohin ihn die beiden Wagner-Schwestern wegen seines zufälliger Weise via ZDF entdeckten Hakenkreuz-Tattoos aus jugendlichen Havel-Metal-Zeiten kurz vor seiner Holländer-Premiere ihrer Zeit vom Grünen Hügel wegempfahlen, in die Opern-Zivilisation quasi zurückgekehrt] gab den faschistoiden Blockwart-Baron Scarpia: Nur leider ist er mit der Rolle stimmlich völlig überfordert. Nikitin ist weder Bass, auch nicht Bassbariton; er klingt naturbedingt einfach zu leise für den Part und kann sich so (natürlich) nicht übers Orchester, welches, so wie meist bei Opernaufführungen unter Rattle, laut und rauschig musiziert, erheben.

Allein Stefano La Colla brauchte sich den Vorwurf einer etwaigen Fehlbesetzung nicht gefallenlassen. Nur bei ihm war demnach dieses hörerische Augen-zu-und-Hochergriffensein-mit-Tränen-in-den-Augen möglich.

Absoluter Hype der konzertanten Aufführung - außer den beiden anwesenden Chören - war Giuseppe Mantello (als Hirte); sein Sopran erzeugte Gänsehaut!!!

* * *

Und, liebe Philharmoniker, wie ist es eigentlich mit dem etwaigen Erfüllungsstand hinsichtlich unserer am 1. 4. erfolgten Offenen Beschwerde wegen der verrosteten Philharmonie-Bänke im Garten hinterm Hans-Scharoun-Bau bestellt?

Zur Bekräftigung des Tatbestandes - und damit es alle Leser nochmal sehen können, worum es uns geht - der aktuelle Anblick [s. Foto oben]; datiert v. 22. April 2017, ca. 18:45 Uhr.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 23.04.2017.]

TOSCA (Philharmonie Berlin, 22.04.2017)
Konzertante Aufführung

Kristīne Opolais, Sopran (Floria Tosca)
Stefano La Colla, Tenor (Mario Cavaradossi)
Evgeny Nikitin, Bassbariton (Baron Scarpia)
Alexander Tsymbalyuk, Bass (Cesare Angelotti)
Peter Tantsits, Tenor (Spoletta)
Douglas Williams, Bass (Sciarrone)
Maurizio Muraro, Bass (Mesner)
Walter Fink, Bass (Schließer)
Giuseppe Mantello, Knabensopran (Hirtenjunge)
Rundfunkchor Berlin
Einstudierung: David Jones
Kinderchor der Staatsoper Unter den Linden
Einstudierung: Vinzenz Weissenburger
Berliner Philharmoniker
Dirigent: Sir Simon Rattle

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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