Christian Thielemann dirigiert "französisch"

Konzertkritik Berliner Philharmoniker spielen Werke von Chausson, Debussy und Fauré

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Christian Thielemann war/ist jetzt wieder in der Hauptstadt, um in zwei verschiedenen Konzertprogrammen [in dem zweiten, nächste Woche, wird zudem Maurizio Pollini mit Chopins 1. Klavierkonzert erwartet] die Berliner Philharmoniker zu dirigieren - gestern Abend war dann die Zusammenstellung ausschließlich französisch: Werke von Ernest Chausson, Claude Debussy und Gabriel Fauré erklangen.

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Nicht sooft zu hören ist das über halbstündige Poème de lʼamour et de la mer Chausson's. Der bekennende Wagnerianer "vertonte in dieser zweiteiligen, formal zwischen Liedzyklus und Kantate angesiedelten Komposition Gedichte des mit ihm befreundeten Maurice Bouchor, die er durch ein orchestrales Zwischenspiel miteinander verband" (Quelle: berliner-philharmoniker.de).

Es geht in diesem Stück um eine einseitige also unglückliche Liebesgeschichte, die ganz furchtbar trostlos wegverrinnt. Sein metaphorisches Meerrauschen-Blumenblühen-Gesäusel ist an eine "sie" gerichtet also weniger denn allgemein oder unadressiert. Liest man(n) die lyrischen Ergüsse Wort für Wort dann in den Übertitelungen oder im Programmheft mit, könnte man(n) irritiert sein, dass das ausführende Sprech- wie Stimmorgan dann ausgerechnet eine Frau ist; Mezzosopranistin Sophie Koch (einstmals gefeiert als Der Rosenkavalier oder als Ariadne-Komponist) interpretierte sie doch irgendwie "neutral" und mehr vom Kopf her. Geht es gar, in dem Poème, um eine lesbische Verwicklung? fragen sich sogleich die Hausfrau und der Hausmann wie in einem unbedarften Zweier-Einzelstimmen-Chor... Nein, nein, nur keine Sorge, es ist halt bloß Lyrik, und das "sie" könnte auch, stellvertretend, für was Anderes und/oder für was ganz profanes Allgemeines stehen. Rauszukriegen ist es freilich, so durch bloßes Lesen, nicht.

Dem Thielemann liegt die Musik ganz ungemein; und selbstverständlich war er sich hier nicht zu schade, tief nach Wagner-Ansätzen (Isoldes Liebestod) zu bohren und das für ihn Naheliegendste zutage zu fördern.

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Die Soloharfinistin der Berliner Philharmoniker, Marie-Pierre Langlamet, spielte sonach Debussy's Danse sacrée et danse profane für Harfe und Streichorchester. Das klang sehr kurzweilig und äußerst delikat.

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Zu dem Fauré'schen Requiem - nach der Pause - will dem Schreiber dieser Zeilen nachgerade fast nichts einfallen; das Stück ging/geht ihm jedesmal, wenn er es hört(e), auf den Geist - da kann er gar nix gegen machen; ist halt so.

Jedoch: Den ruhigäugigen, quellklaren Sopran von Christiane Karg ("Pie Jesu") und das v.a. in den leiseren Passagen klanglich Raffinierte als wie stimmlich Reine der Damen und Herren vom Rundfunkchor Berlin herauserkannt zu haben, sollte hier nicht unerwähnt geblieben sein.

[Erstveröffentlichung von Andre Sokolowski am 10.01.2016 auf KULTURA-EXTRA]

BERLINER PHILHARMONIKER (Philharmonie Berlin, 09.01.2016)
Ernest Chausson: Poème de lʼamour et de la mer für Singstimme und Orchester op. 19
Claude Debussy: Danse sacrée et danse profane für Harfe und Streichorchester
Gabriel Fauré: Messe de Requiem d-Moll op. 48
Sophie Koch, Mezzosopran
Marie-Pierre Langlamet, Harfe
Christiane Karg, Sopran
Adrian Eröd, Bariton
Rundfunkchor Berlin
(Choreinstudierung: Gijs Leenaars)
Berliner Philharmoniker
Dirigent: Christian Thielemann

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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