CLAUDE DEBUSSY | 100. Todestag

Konzertkritik Daniel Barenboim und die Staatskapelle Berlin mit schöner Raritäten-Auslese zum runden Jubiläum

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Vor über dreizehn Monaten gipfelte Daniel Barenboim's bis da schon etwas länger anhaltende "französische Phase" in der wundervoll-entstaubt habenden Wiedervorwuchtung der Perlenfischer von Bizet; Wim Wenders hatte die ihm auf erwartbar filmaffine Weise inszeniert. In diesem Jahr nun widmet er sich - anlässlich des 100. Todestages - insbesondere dem Werk von Debussy, dessenPelléas et Mélisandeer in dem Zusammenhang zum ersten Male [in der Staatsoper Unter den Linden, ab 27. Mai 2018] dirigieren wird.

Ganz aktuell, so wie es schien, stand also das jetzt absolviert gewesene Abonnementskonzert der Staatskapelle Berlin im sozusagen vorbereitend-hinweisenden Zeichen des bevorstehenden Operngroßereignisses:

"Mit der Kantate La damoiselle elue für zwei Frauenstimmen, Frauenchor und Orchester erklingt ein selten gehörtes ätherisches Werk von mystisch-religiös verklärter Sinnlichkeit. In den Trois Nocturnes zeichnet der Komponist drei in unterschiedlichsten Farbtönen schimmernde Abend- bzw. Nachtbilder während die Trois Ballades de François Villon für Frauenstimme und Orchester augenzwinkernd in pseudo-mittelalterliche Klangwelten entführen. Mit den sinfonischen Skizzen La Mer erklingt zuletzt auch das wohl bekannteste Werk des musikalischen Impressionisten, das die wogenden Wellen des vom Wind bewegten Meeres in Musik setzt." (Quelle: staatsoper-berlin.de)

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Der pastellfarbene Impressionistenabend mit drei uns bis dahin völlig unbekannten Werken und der sie naturalistisch wegsaufenden Tondichtung über Das Meer verblüffte ungemein - wann hat man je Gelegenheit, so jede Menge Debussy in einem Gusse vor- und hergemalt zu kriegen?!

Am erstaunlichsten nahm sich sogleich die erste Position des elitär gecasteten Programmes aus: Anna Prohaska (als ganz vorn und im betörend-fließend Weiß gehüllte "auserwählte Jungfrau") und Marianne Crebassa (als un-unauffällig rot und aus der Ferne deklamierende Erzählerin) vermochten der situativ so christlich-wundersamen Aufgeladenheit von Damoiselle élue durch ihre Parallelpräsenzen optisch wie akustisch zuzudienen. Auch die Damen aus dem Chor der Staatsoper Unter den Linden trugen zum ge-samtigen Genusserlebnis bei - sie mischten sich zudem und anschließend beim Triptychon der Trois Nocturnes unters Orchester, um es (hinsichtlich "Sirènes") mittels der vokalisen A's und O's tatkräftig zu verstärken; klang dann irgendwie nach Wagners Blumenmädchen, was vielleicht an ihren allzu vordergründigen Vibrati lag...

Auch Trois Ballades de Francois Villon zählen gewiss zu den drei musizierten Raritäten dieses Exklusivkonzertes; die Crebassa würzte sie mit feinsinniger Ironie, ja und in ihnen ging es dann um "falsche Schönheit, die ich so teuer bezahlen muss" oder die "Herrin des Himmels, Herrscherin über die Erde" oder "die Pariserinnen", denen der hier angesproch'ne Prinz den "Preis für das beste Geschwätz" verleihen solle usw. usf.

Enthoben, zauberhaft, und zwar in Allem!!!

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 04.05.2018.]

STAATSKAPELLE BERLIN (Philharmonie Berlin, 03.05.2018)
Claude Debussy: La Damoiselle élue
- Trois Nocturnes
- Trois Ballades de François Villon (Bearbeitung für Singstimme und Orchester)
- La Mer
Anna Prohaska, Sopran
Marianne Crebassa, Mezzosopran
Chor der Staatsoper Unter den Linden
(Einstudierung: Martin Wright)
Staatskapelle Berlin
Dirigent: Daniel Barenboim

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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