DER DIKTATOR von Ernst Krenek

Premierenkritik Neukölllner Oper präsentiert kammermusikalische Fassung von Jörg Gollasch

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Dass Trump wohl auch bei Frauen gar nicht mal so schlecht wegkommt, dürfte - unter statistischer Beachtung der Rekordbeteiligung an den Midterms 2018 (48 % im Vergleich zu 37 % von vor vier Jahren) - faktisch hochgerechnet werden; auch so Typen wie Bolsonaro, Duterte erhielten ihre demokratisch beglaubigten Mandate infolge bürgerlicher Präsidentschaftswahlen inklusive einer sicherlich nicht unterbutternswerten Wahlbeteiligung von Frauen... Und auch bei der Hitler-Wahl im Jahre 1933 war das damals nicht ganz unähnlich.

So "starke Männer" zogen/ziehen immer wieder auch das angeblicher Weise etwas schwächere der zwei Geschlechter auf erstaunliche und merkwürdige Weise an. Ein nicht nur sexuelles Phänomen!

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Die Neuköllner Oper - mit ihrer Auswahl an Stücken immer auch auf der Höhe der Zeit - hat jetzt die kammermusikalische Bearbeitung und Einrichtung eines Werkes auf den Plan gesetzt, dessen librettistischer Inhalt kaum aktueller passen könnte: Der Diktator von Ernst Krenek (UA 1928)!

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"Der Diktator ist mit seiner Ehefrau Charlotte im Erholungsurlaub, während Maria, die Frau eines kriegsversehrten Offiziers, ein Attentat auf den erneut kriegsführenden Diktator plant und schließlich an ihm scheitert.
Krenek schrieb diese 'blutige Mordgeschichte aus dem Privatleben eines zeitgenössischen Diktators', um vor dem wachsenden Faschismus in Europa und seinen populistischen Wirkungsweisen zu warnen."
(Quelle: neukoellneroper.de)

Bei aller gesellschaftspolitischen Querverweiserei bleibt freilich festzustellen - eine halbwegs funktionierende Opernhandlung war und ist auf einen zwischenmenschlich nachvollziehbaren Plot hochangewiesen, und der lautet (beim Diktator Kreneks) etwa so:

Die Diktatorengattin wollte halt mit ihrem Diktatoirengatten, und rein außerhalb seiner "beruflich" ausgelebten Diktatur, ein bisschen ausspannen und Urlaub machen, ihn letztendlich auch mal wieder nur für sich allein genießen und "besitzen" - bis es zum Zusammentreffen mit der Diktatorenfeindin (einer von der Diktatorengattin wahrgenomm'nen sexuellen Konkurrentin) kam; ja und es ging fortan v.a. um die ausgelebten Eifersüchte der Betroffenen, die sich letztendlich als die eigentliche Hauptfigur in Kreneks Stück entpuppte. Schließlich griff Charlotte zum Revolver, um den Un(ge)treuen zu erschießen, und genau in dem Moment warf sich Maria (!) halt dazwischen und wurde sodann, also versehentlich, getötet; Punkt und Aus.

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Marek Janowski und das DSO hatten 2003 diesen Diktator (mit den andern beiden Kurzopern von Krenek; Das geheime Königreich und Schwergewicht oder Die Ehre der Nation) auf Platte eingespielt - da fällt der großzügig gewebte, griffige Orchesterteppich ganz besonders auf. Bei der Berlin-Premiere gestern Abend wurde der natürlich etwas ausgedünnt:

Der Komponist Jörg Gollasch hatte eine Fassung für Klavier (Walewein Witten), Violoncello (Maria Franz) und Schlagwerk (Jan-Einar Groh) erstellt und dementsprechend eingerichtet. Sie klingt transparent und tut dem Ohr nicht weh. Auch wiegt sie das Zusammenspiel, um nicht zu sagen den "Zusammenhalt", mit den vier wie im Krenek'schen Original agierenden GesangssolistInnen harmonisch aus. Derart gewinnt dann auch die allgemeine Textverständlichkeit, obgleich es - um dem Text dann noch etwas gezielter auf den Grund gehen zu können - wünschenswert gewesen wäre, simultane Obertitel mitzulesen... Es gab ein paar zielführende Einsprengsel, die für die Sprechstimmen gedacht gewesen waren (fremdsprachige Rede-Auszüge?) oder gelegentliche Einwürfe zum Thema Populismus oder so.

Selbstredend blieben Lawrence Halksworth (als Diktator) und Eva Maria Nikolaus (als Charlotte) wie auch Sotiris Charalampous (als Offizier) und Isabel Reinhard (als Maria) - ungeachtet all der zusätzlichen Text-Hinzutuung - ihren originären Rollendarstellungen nichts, aber auch gar nichts schuldig!!!!

Ariane Kareev führte Regie, und Lina O. Nguyen baute die Bühne - mit der tollen Wippe.

Gut gemachtes Kammermusik-Theater.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 08.11.2018.]

DER DIKTATOR (Neuköllner Oper, 07.11.2018)
Musikalische Bearbeitung / Einrichtung: Jörg Gollasch
Regie: Ariane Kareev
Dramaturgie: Justus Rothlaender
Musikalische Leitung: Walewein Witten
Bühne: Lina O. Nguyen
Kostüme: Julia Denzel
Regieassistenz: Marleen Wengorz
Besetzung:
Der Diktator ... Lawrence Halksworth
Charlotte ... Eva Maria Nikolaus
Offizier ... Sotiris Charalampous
Maria ... Isabel Reinhard
Walewein Woitten, Klavier
Maria Franz, Violoncello
Jan-Einar Groh, Schlagzeug
Premiere war am 7. November 2018.
Weitere Termine: 09., 10., 14., 17., 18., 23., 28.11. / 04., 05.12.2018

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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