DER VAMPYR an der Komischen Oper Berlin

Glosse Marschner-Wiederentdeckung als Splatter-Show

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Wir erlebten jüngst die äußerst selten gespielte Große Romantische Oper Der Vampyr von Heinrich Marschner (1795-1861) in einer sehenswerten Splatter-Show des Schauspielregisseurs Antú Romero Nunes an der Komischen Oper Berlin.

Dieses (im Strichfassungsformat vom Regisseur sowie dem Dramaturgen Ulrich Lenz auf- und nachbereitete) Werk "gilt als Paradebeispiel der deutschen Schauerromantik. Anknüpfend an Carl Maria von Webers Freischütz sucht Marschner nach einer musikalischen Sprache für das Dunkle und Dämonische und wird damit zum Wegbereiter Richard Wagners." Und sein Plot wird so zurechtgekürzt: "Ein Vampir geht um! Bis die Uhr abgelaufen ist, muss der Untote Lord Ruthven drei Bräute zu Tode gebissen haben. Und dem Charme des Verführers ist nicht leicht zu widerstehen, übt er doch geradezu hypnotisierende Kräfte auf das weibliche Geschlecht aus. Aufgepasst! Dass nicht die Partnerin an Ihrer Seite Opfer des Blutsaugers wird! George Dibdin muss hilflos mit ansehen, wie seine Emmy dem grausigen Lord erliegt. Und Edgar Aubry wird beinahe wahnsinnig, weil er keinen Ausweg aus seinem Dilemma weiß: Verrät er den Vampir, wird er selbst zu einem. Tut er es nicht, rennt seine Verlobte Malwina offen ins Verderben..." (Quelle: komische-oper-berlin.de)

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Sichtlich spiel- und splattergelaunt macht sich v.a. der Chor der Komischen Oper Berlin einen Heidenspaß daraus, als (von Kostümbildnerin Annabella Witt kreierte und von Chefmaskenbildner Tobias Barthel "mumifizikal verwirklichte") Zombies blut- oder gedärmefixiert (im Bühnenbild von Matthias Koch) herumzustaken.

Heiko Trinsinger beeindruckt stimmlich sowie darstellerisch als der titelgebende Vampyr Lord Ruthven.

Nicole Chevalier als Malwina - die den Vampyr am Schluss mit einem Holzkeil mehrfach niederkillt - scheint hundertpro die allergrößte Spiellust unter allen andern Mitwirkenden [Namen s.u.] auszustrahlen resp. zu verspritzen.

Auch wird (unter Dirigent Antony Hermus) emsig gut und ebenso sehr lustvoll musiziert.

Es gab zudem, ganz rudimentär natürlich, "ergänzende Kompositionen" von Johannes Hoffmann zu vernehmen. Dies und die Extremverkürzung des Vampyr auf nicht mal 90 Minuten (pausenlose) Spieldauer vermochten letzten Endes keine objektive Meinung dessen zu befördern, wie denn eigentlich dem Marschner seine Große Oper insgesamt, "in Wahrheit", hätte klingen können oder klingen mögen.

Doch das Splatterische kam dann schon als putzig-buntes Extra-Osterei - Premiere war beim diesjährigen Karwochenbeginn - zu uns herüber.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 27. März 2016]

DER VAMPYR (Komische Oper Berlin, 26.03.2016)
Musikalische Leitung: Antony Hermus
Inszenierung: Antú Romero Nunes
Bühnenbild: Matthias Koch
Kostüme: Annabella Witt
Dramaturgie: Ulrich Lenz
Chöre: David Cavelius
Licht: Diego Leetz
Besetzung:
Lord Ruthven ... Heiko Trinsinger
Sir Humphrey, Lord von Davenaut ... Jens Larsen
Malwina, seine Tochter ... Nicole Chevalier
Edgar Aubry ... Zoltán Nyári
George Dibdin ... Ivan Turšić
Emmy ... Maria Fiselier
Chorsolisten und Orchester der Komischen Oper Berlin
Premiere war am 20. März 2016
Weitere Termine: 3., 17., 23. 4. / 5. 7. 2016

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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