DIE GEZEICHNETEN an der Komischen Oper Berlin

Premierenkritik Calixto Bieito inszenierte - Stefan Soltesz dirigierte.

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Von einem inszeniererischen Tiefpunkt in der 70jährigen Geschichte der Komischen Oper Berlin muss hier Notiz genommen werden.

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Franz Schrekers Die Gezeichneten stand auf dem Plan, und Calixto Bieito (hochberühmt und hochberüchtigt für sehr grenzwertige Auslegungen unterschiedlichster Musikdramen; zuletzt hatte er vor drei Jahren mit den Zimmermann-Soldaten in der Behrenstraße überzeugt) wurde als Regisseur hierzu bestellt:

Er heutigte das dramaturgisch kompliziert gestrickte und arg überpersonalisierte Stück des Dichterkomponisten dahingehend, dass er die Behauptung aufzustellen willens war, die Hauptfigur - Alviano Salvago, ein genuesischer Edelmann - wäre am Ende nicht nur unermesslich reich und hätte einen auffälligen Buckel, sondern würde auch noch seinen pädophilen Grundneigungen zielgerichtet nachgehen, d.h. Bieito machte aus "Elysium" (dieser lt. Libretto von Salvago künstlich aufgesandeten und allerdings von ihm nie selbst betret'nen Insel außerhalb der Stadt) 'nen insgeheimen Ort, wo seine falschen Männerfreunde - Adrian Strooper, Ivan Turšić, Tom Erik Lie, Johnathan McCullough, Önay Köse und Samuli Taskinen als die sog. 6 genuesischen Edelleute - kollektive Kindesmissbräuche begingen und die Opfer hinterher zum Teil entsorgten; Salvago schien da zwar unbeteiligter zu sein als er sich das je vorzustellen wagte, aber letzten Endes - was das Bühnenbild Rebecca Ringst' betrifft, das schließlich wie die mikroskopisch variierte Neverland-Ranch eines Michael Jackson wirkte - wäre dieser Kindeslust-Ort seine Kreation gewesen; ja und weil er halt so'n pädophiles Faible hätte usw. usf. Auf so viel konstruierte Scheiße muss man erst mal kommen!

Ekelhaft auch die von Sarah Derendinger hergestellten Videos mit den die gesamte Bühnenhöhe als wie -breite überblendenden Physignomien von den jeweiligen Kindesvergewaltigern, während sie hochscheinbarer Weise jeweils in die Opfer dringen - nirgends wurde sowas selbstverständlich eins zu eins dann aufgezeigt, aber die Andeutungssignale schockten umso schonungsloser.

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Stefan Soltesz (der auch schon im letzten Jahr das Gürzenich-Orchester in der szenisch ungleich überzeugenderen Produktion von Patrick Kinmonth an der Oper Köln genialisch dirigierte) "rettete" das hauptstädtische Unterfangen wenigstens dann musikalisch!

Ausrine Stundyte und Michael Nagy brillierten in den anspruchsvollen Rollen der Carlotta/des Tamare.

Peter Hoare musste hörbar mit den Höhen seines stellenweise fast unsingbaren Salvago schattenboxen.

Und Joachim Goltz, Jens Larsen, Katarzyna Włodarczyk, Christiane Oertel oder Christoph Späth (in Nebenrollen) sollten auch nicht unerwähnt geblieben sein.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 22.01.2018.]

DIE GEZEICHNETEN (Komische Oper Berlin, 21.01.2018)
Musikalische Leitung: Stefan Soltesz
Inszenierung: Calixto Bieito
Bühnenbild: Rebecca Ringst
Kostüme: Ingo Krügler
Dramaturgie: Simon Berger
Chöre: David Cavelius
Licht: Franck Evin
Video: Sarah Derendinger
Besetzung:
Herzog Antoniotto Adorno / Il Capitaneo di Giustizia ... Joachim Goltz
Graf Andrae Vitelozzo Tamare ... Michael Nagy
Lodovico Nardi, Podestà der Stadt Genua ... Jens Larsen
Carlotta Nardi, seine Tochter ... Ausrine Stundyte
Alviano Salvago, ein genuesischer Edelmann ... Peter Hoare
Guidobald Usodimare ... Adrian Strooper
Menaldo Negroni ... Ivan Turšić
Michelotto Cibo ... Tom Erik Lie
Gonsalvo Fieschi ... Johnathan McCullough
Julian Pinelli ... Önay Köse
Paolo Calvi ... Samuli Taskinen
Ginevra Scotti ... Katarzyna Włodarczyk
Martuccia, Haushälterin bei Salvago ... Christiane Oertel
Pietro ... Christoph Späth
Ein Mädchen ... Mirka Wagner
Ein Jüngling ... Emil Ławecki
Vocalconsort Berlin
Chorsolisten und Orchester der Komischen Oper Berlin
Premiere war am 21. Januar 2018.
Weitere Termine: 27.01. / 01., 10., 18.02. / 11.07.2018

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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