DOOM in den Sophiensaelen

TANZTAGE BERLIN 2022 emeka ene, Samuel Hertz, Layton Lachman und Caroline Neill Alexander zelebrieren den Untergang des Abendlandes

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Ich war gestern Abend in der Doom-Performance von Layton Lachman (Choreografie, Regie) und Samuel Hertz (Musik).

Sie wäre "das Anprangern von Missständen und die Übersetzung dieser Missstände in ein grollendes Knäuel" als auch "die Vorahnung von Klängen, die uns erschüttern und die uns gleichzeitig dazu zwingen, nach der Verbindung dessen zu suchen, was wir für gewöhnlich getrennt halten" lt. Werkbeschreibung, und:

"Selbst wenn um uns herum die Apokalypse ihre Blüten schlägt, tanzen wir ununterbrochen und beginnen ein Doom-Metal-Konzert, in dem wir den Anfang des Endes der Welt bejubeln – ein kollektives Trauern und Feiern im Angesicht des anhaltenden Untergangs. Wir sehen, fühlen und hören die langsamen Veränderungen einer untergehenden Welt, und doch schlagen wir einen nicht-fatalistischen Weg vor, einander mit Sorgfalt zu begegnen und uns Alternativen zum Endzeitszenario auszudenken." (Quelle: tanztage-berlin.sophiensaele.com)

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Also:

emeka ene, Samuel Hertz, Layton Lachman und Caroline Neill Alexander performen zirka 80 Minuten lang den Festsaal der Sophiensaele. Zwei Frauen, zwei Männer. Vier Gitarren, vier Mischpulte, vier Lautsprecher; jedes und jede/r in einer der vier Ecken - ich vermeine mich in längst vergangene Zeiten der guten alten Quadrophonie zurückversetzt.

Die Performance hat laute und ruhige Abschnitte. Die lauten sind die schrecklichsten, denn in den lauten drehen die Akteure ihre Mischpulte bis zum Anschlag auf, sodass es derart dröhnt, dass ich beinahe schon von Körperverletzung sprechen müsste; die am Bühneneingang empfohlenen und ausgehändigten Ohrstöpsel (deren obgligatorischer Gebrauch ein absolutes Muss ist, um diese akustisch abgesonderte Tortour an sich zu überleben!) sorgen zwar dafür, dass mir das Trommelfell nicht auseinanderplatzt, aber das Dröhnen dringt noch viel, viel weiter in den Körper als ich es vermutet haben würde; fühlt sich an, als würde ich ganz nebenher in einen Steinschlag 'reingeraten...

Das Leisere & Leise ist dann freilich schön & schöner, beispielsweise das hier:

Die Vier haben sich in einem Kreis umarmt und geben Vokalisen von sich, das Register geht von gleißend hoch bis respektabel tief.

emeka ene, der so wie der junge (ja: blutjunge) Jimi Hendrix wirkt, fährt Fahrrad, und die beiden Frauen schälen sich inzwischen eine Apfelsine.

Layton Lachman fällt ganz körperlich und also ganz, ganz, ganz besonders auf.

Der weiße Mantel, welchen Caroline Neil Alexander aufträgt, assoziiert die Eisdecke der Schneekönigin.

Und Samuel Hertz hat lange rote Haare und zupft abschließend auf seinem Cello.

*

Falls der Untergang des Abendlandes so verlaufen sollte, meinetwegen - - es gibt sicher Schlimmeres.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 15.01.2022.]

DOOM (Sophiensaele Berlin, 15.01.2022)
Konzept: Layton Lachman & Samuel Hertz
Choreografie und Regie: Layton Lachman
Originalkomposition: Samuel Hertz
Kostüme: Ivanka Tramp
Beleuchtung: Gretchen Blegen
Dramaturgische Unterstützung: Maxi Wallenhorst
Von und mit: emeka ene, Samuel Hertz, Layton Lachman und Caroline Neill Alexander
Berliner Premiere war am 15. Januar 2022.
Weiterer Termin: 16.01.2022
Eine Produktion von Layton Lachman/Samuel Hertz in Koproduktion mit SOPHIENSÆLE

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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