EDWARD II. DIE LIEBE BIN ICH als Soap Opera

Video Pinar Karabulut und Leon Landsberg verfilmten Ewald-Palmetshofer-Stück

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Die letzte "Echt-Premiere" am Schauspiel Köln erlebte ich im vorigen September, als ich Jelineks Schwarzwasser sah - ab Spätherbst ging ja dann schon wieder nichts mehr; die Theater und Konzerthäuser begannen peu à peu wieder zu schließen - und der kulturelle Lockdown hält bis heute an; die aktuellen 100er Inzidenzen lassen keinen Optimismus zu, dass sich daran in absehbarer Zeit was ändert; es ist deprimierend.

Und wie lange dauert die Corona-Scheiße eigentlich dann noch?!

(Das mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Erfinder-Paar vom Impfstoff BioNTech, Özlem Türeci & Uğur Şahin, meinte bei seiner Dankesrede im Schloss Bellevue, wir wären jetzt im letzten Drittel, also müssten wir noch zirka 6 Monate durchhalten...)

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Edward II. Die Liebe bin ich ist eine Marlowe-Nachdichtung des Österreichers Ewald Palmetshofer, die 2015 bei den Wiener Festwochen zur Uraufführung gelangte. Der Autor bringt die etwas komplizierte und von machenschaftlichen Politzusammenhängen jener damaligen Zeit geschwängerte Handlung auf einen allgemein recht nachvollziehbaren Privat-Punkt, nämlich die libidonöse Dreierkiste zwischen König Edward II. (1284-1327), seiner Gattin Isabelle de France (1295-1558) und seinem Geliebtem Piers Gaveston (1284-1312) - die "ordentliche" Kölner Erstaufführung sollte im Februar d.J. sein.

Jetzt hat die Regisseurin Pınar Karabulut aus der Not eine Tugend gemacht und (zusammen mit ihrer Dramaturgin Sarah Lorenz) eine 6-teilige Soap-Opera - selbstverständlich unter Einbeziehung nicht weniger sprachgewaltiger Passagen des Originaltextes von Palmetshofer - für das Internet zusammengebastelt. Den insgesamt 3-stündigen Film (je Filmkapitel ca. 30 min), dessen Video Leon Landsberg drehte, konnte und kann auf schauspiel.koeln angeklickt werden.

Ich kam gerade noch zur rechten Zeit dazu, um mir die Online-Premiere des letzten und 6. Kapitels (Go Fetch My Father's Hearse) anzuschauen und anzuhören:

Eingebetteter Medieninhalt

"In Gefangenschaft existieren die Liebes- und Glücksmomente für Edward nur noch in der Erinnerung, in der Realität ist er gezwungen die Krone seinem Sohn zu vermachen. Damit ist der Weg frei für einen grausamen Mordauftrag. Edward III. – bis dahin passiver Beobachter und Werkzeug der anderen – übt schließlich Vergeltung… (Quelle: schauspiel.koeln)

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Jörg Ratjen (als Edward III.) räumt zum Schluss des Filmes gründlich auf, im Marlowe-Zeitalter bedeutete das also, dass das Blut in Strömen floss - mit dem Telefon erschlägt er Nicola Gründel (als Isabella), mit der Gabel entäugt er Nicolas Lehni (als Bischof), mit der Kettensäge entarmt er Birgit Walter (als Kent)...

Justus Maier (als Gaveston) wurde bereits in einem früheren Kapitel hingemetzelt.

Ja, der Film hat glaubwürdigste Splatter-Qualitäten - daher ungemein auch was für Liebhaber des Genres, ohne jede Frage.

Alexander Angeletta überzeugt in seiner Titelrolle!

Und am allersehenswertesten - für mich auf jeden Fall - die Sex-Szenen des ersten Films (Einzug); den hatte ich mir dann auch gleich zwei-, dreimal nacheinander reingezogen.

In den Filmkapiteln 4 und 5 verlieren sich die Macher ziemlich aufhaltend und angestemmt im Kunstbildlich-Bildkünstlerischen.

Ja und ganz am Schluss gibt es auch noch ein großbedeutungsvolles LGBT-Statement von der Heiligen Johanna von den Schlachthöfen (genial gesprochen und gespielt von Kristin Steffen).

Alles in allem:

Kurzweilige Verslehre.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA v. 19.03.2021.]

EDWARD II. DIE LIEBE BIN ICH (Schauspiel Köln)
Nach Christopher Marlowe | Von Ewald Palmetshofer


Regie: Pinar Karabulut
Video: Leon Landsberg
Szenenbild: Bettina Pommer
Kostümbild: Teresa Vergho
Originalmusik: Daniel Murena
Lichtgestaltung: Michael Frank
1. Kameraassistenz: Leon Follert
Dramaturgie: Sarah Lorenz
Besetzung (Kapitel 6):
Edward II. ... Alexander Angeletta
Tallshow Host ... Seán McDonagh
Gaveston ... Justus Maier
Prinz Edward, später Edward III. ... Jörg Ratjen
Kent ... Birgit Walter
Isabella ... Nicola Gründel
Bischof ... Nicolas Lehni
Handlanger ... Christina Lindauer
Spencer / Johanna, the Slayer of Orleans ... Kristin Steffen
Einbalsamierer ... André Beck
Erzähler (Off) ... Robert Dölle
u.v.a.

Uraufführung am Schauspielhaus Wien: 26. Mai 2015

Online-Premieren:
Kapitel 1: Einzug (12.02.2021)
Kapitel 2: Salbung (19.02.2021)
Kapitel 3: Krönung (26.02.2021)
Kapitel 4: Te Deum Laudamus (05.03.2021)
Kapitel 5: Kommunion (12.03.2021)
Kapitel 6: Go Fetch My Father's Hearse (19.03.2021)

Stream auf schauspiel.koeln v. 19.03.2021

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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