EIN SACK VOLL MURMELN von Christian Duguay

Filmkritik Joseph Joffo's autobiografischer Bestseller - jetzt auch kinoreif

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Der französische Autor Joseph Joffo (geb. 1931) verfasste 1971 die Erinnerungen an seine Kindheit, die er als Jude in dem von den Deutschen besetzten Frankreich verlebte: Un sac de billes - Ein Sack voll Murmeln - ist ein Bestseller geworden und wurde in 18 Spachen übersetzt. Jetzt gibt es die Verfilmung dieses Buches durch den kanadischen Regisseur Christian Duguay:

"Paris, 1941. Weil es in der besetzten Hauptstadt zu gefährlich geworden ist, plant die jüdische Familie Joffo die Flucht nach Südfrankreich, das noch nicht in deutscher Hand ist. Eine gemeinsame Reise wäre zu auffällig, daher schicken die Eltern den zehnjährigen Joseph und seinen älteren Bruder Maurice allein auf den Weg. Ein gefährliches Abenteuer erwartet die Jungen, denn niemand darf erfahren, dass sie Juden sind..." (Quelle: Weltkino Filmverleih)

Eingebetteter Medieninhalt

Die beiden Kind-Darsteller Dorian Le Clech (als Joseph) und Batyste Fleurial (als dessen älterer Bruder Maurice) wurden bei einem Casting von mehr als tausend Jungschauspielern entdeckt - ja und sie spielen ihre Rollen großartig!!

Ziemlich am Anfang, kurz nachdem der elterliche Beschluss die beiden Söhne solo auf die Flucht zu schicken festgestanden hatte, bläut der Vater (Patrick Bruel) dem Jüngsten ein, dass er bloß draußen keinen verräterischen Fehler machen sollte, dass er also seine jüdische Herkunft auf Gedeih und Verderben leugnen müsste - um zu überleben; und er ohrfeigt ihn und simuliert einen Beamten beim Verhör - und immer wieder mahnt er seinen Sohn: "Du bist kein Jude! hörst du mich!! kein Jude!!!"

Die Heranwachsenden haben wohl auch jede Menge Glück - so wie's im Leben oftmals ist...

Zum Schluss hin kommen Beide völlig "unterschiedlich" unter - Joseph bei 'nem Kollaborateur-Buchhändler mit Familie und Maurice bei Resistance-Freunden; da spitzt sich dann die Filmhandlung noch einmal kräftig zu. Ja und der Kreis (auch ganz, ganz filmreif) schließt sich irgendwie, denn: Nach dem Kriegsende, wo mit den Kollaborateuren selbstgerichtlich auf der Straße abgerechnet wird, bewahrt der kleine Joseph die Familie jenes Kollaborateur-Buchhändlers vor dem sichern Tod durch Lynchjustiz, indem er laut behauptet, dass sie ihn, den Juden, gar versteckt hätte - - Joseph tat das, weil er sich in die Kollaborateur-Buchhändlerstochter aufs Heilloseste verliebte...

Ihren Vater, der in 1943 von den Deutschen aufgegriffen und nach Auschwitz deportiert wurde, sahen die Brüder allerdings nicht wieder.

Anrührender Film.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 16.08.2017.]

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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