GLÜCKLICHE TAGE mit Dagmar Manzel

Premierenkritik Beckett am DT Berlin

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Immer, wenn ich Beckett-Stücke sehe, habe ich danach den Zwang kurz auf die Uhr zu gucken, um mithin so abschätzen zu wollen, wieviel Stunden, Tage, Monate und Jahre mir zum Leben wohl noch bleiben. Beckett-Texte hören (lesen sollte man sie nicht!) heißt meistens deprimiert gestimmt zu sein - es geht in ihnen um das quälend aussichtslose Endlosdasein ihrer jeweiligen Solo- oder Paar-ProtagonistInnen; sie sind dann immer kurz vorm Ende einer ewig langen Lebensära, die sie solo oder paarweise verbrachten, aber ehe dann das Ende endlich kommt, vergeht noch eine scheinbar völlig unnütz' monologisierte Zeit...

Eingebetteter Medieninhalt
Nun hatte Frankens Tatort-Kommissarin Dagmar Manzel, die inzwischen längst zur singulärsten aller Musical-und-Operetten-Diven Deutschlands durchgeschlagen, um nicht gar zu sagen durchgeknallt ist, Lust auf Winnie's großen Grubenmonolog. An ihrem alten Stammhaus, dem DT Berlin, bot ihr der Filmregisseur Christian Schwochow jetzt die Möglichkeit, Glückliche Tage, welche in dem unterirdisch anmutenden Spiegel-Bühnenbild von Anne Ehrlich aufgehoben wurden, zu verbringen.

Zu erwarten war: ein großer Manzel-Abend. Ja und der erfolgte prompt - völlig egal, in welcher irgendwie gearteten Regie- und Bühnensicht das Alles sich bewegen sollte, würde oder müsste. Da, wo Manzel ist, herrscht so und so (ob mit oder ob ohne all dem Drumherum) ihr dominierender Persönlichkeitsanspruch; und dabei ist sie überhaupt nicht eitel und auch nicht "in sich verliebt" und - wie man das so allerorten hören kann - hochkommunikativ und also menschlich angenehm: zu was und wem auch immer.

Manzel bringt diesen meist mehr verschämt daherkommenden Ironie-Aspekt der mantraartigen und daher nervtötenden Beckett-Sprechblasen zur Herbstzeitlosenblüte. Zweimal lässt sie einen mordsmäßigen Frauenkreischer los, ja und nur selten hebt sie ihre Stimme, wenn es sich im Diesbezüglichen um Willi (den Jörg Pose mimte) dreht - da spürt der zuschauende Zuhörer sofort: Jetzt hat die Frau den Mann so richtig übersatt und hätte gern, am besten gleich, dass sie mit ihrem Browning ihn pulverisiert, damit er endlich seine Schnauze hält, obgleich er ja (in diesem Endzeit-Schauspiel) kaum was sagte oder so...

Am Schluss, als Willi ihr (wahrscheinlich tot) zu Füßen liegt, ergeht sie sich in selbsttröstenden Lehar-Klängen.

Dagmar Manzel = immer ein Theater-Vollereignis!!

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 24.04.2017.]

GLÜCKLICHE TAGE (Deutsches Theater Berlin, 23.04.2017)
Regie: Christian Schwochow
Bühne: Anne Ehrlich
Kostüme: Asli Bakkallar
Dramaturgie: John von Düffel
Mit: Dagmar Manzel (als Winnie) und Jörg Pose (als Willi)
Premieren waren am 22. und 23. April 2017.
Weitere Termine: 28.04. / 03., 11., 19.05. / 01.06.2017

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

Andre Sokolowski

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden