Heiner-Müller-Gedenkstunde

Uraufführung "heiner 1 - 4 (engel fliegend, abgelauscht)" von Fritz Kater am BE

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Das letzte Mal, dass ich ein Stück Fritz Katers sah, ist fünf oder sechs Jahre her, ja und sein Autor (dessen Alter Ego Armin Petras ist) tat es mit Zeit zu lieben Zeit zu sterben übertiteln, Kater hatte sich da - motiviert von Time Stands Still, einem Autorenfilm des Ungarn Péter Gothár - an paar Bruchstücken aus seiner eigenen West-Ost-Vita prosaisch abgearbeitet; ich nahm das seiner Zeit interessiert zur Kenntnis.

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Dieses Mal (2019) führte er sich ein paar Bruchstücke aus Heiner Müllers letzten Lebensjahren zugemüte, dessen theatrale Collagierung er mit heiner 1 - 4 (engel fliegend, abgelauscht) bezeichnete. Das Stück entstand im Rahmen einer sog. "Exzellenz-Reihe gefördert durch die Deutsche Bank Stiftung" und lässt ganz erstrangiger Weise an den 90. Geburtstag des im Jahre 1995 viel zu früh an einem grauenhaften Krebsleiden verstorbnen DDR-Dramatikers gedenken - Kater spielt in seinem Stück "in verschiedenen Texturen mit dem Theater selbst und fächert Gesagtes und Gelebtes von Müller weit auf". Und:


"Wie der Titel beschreibt, hat Kater abgelauscht, was im Echo der Geschichte nachhallt: Die Liebesgeschichte zwischen Heiner Müller und Brigitte Maria Mayer oder Interviewfetzen über Kunst und Gesellschaft aus den Nachwendejahren, genau­so wie ein Stück im Stück und einen Monolog über das Leben, das Ende und den ganzen Rest." (Quelle: berliner-ensemble.de)


Das Anrührendste und Ablauschendswerteste der von Lars-Ole Walburg bemüherisch inszenierten Uraufführung war - was meine individuelle Wahrnehmung betrifft - das nachgereichte Aufblättern der späten aber schönen Liebesgeschichte Heiner Müllers mit der 24 Jahre jüngeren Fotografin Brigitte Maria Mayer [s. auch ihren Film Anatomie Titus Fall of Rome, 2009] inkl. ihrer gemeinsamen Tochter Anna; alles zu einer Zeit (und nach der sog. Wende 1989), wo der Müller zwar zum Einen stark an seiner anhaltenden Schreibblockade litt, zum Anderen aber vielleicht (privat) nicht unglücklich zu sein schien; Frau & Kind wollten sein bisheriges Leben allzu überraschend aufmischen, und sein Verzweifeln am gewendeten System und dem ihn peu à peu lähmenden Speiseröhrenkrebs konnte er so womöglich besser "kompensieren" als wenn er die Beiden nicht zu dieser Zeit um sich gehabt hätte.

Zudem wurde viel lose aufgesagter Text aus Interviews, Gesprächen oder essayistischen Dialogen, die aus Müllers letztem Lebensabschnitt stammen, aneinandergefädelt; eine Art von Kurzfarce, die die BE-Endproben zu Müllers letztem Stück Germania 3. Gespenster am toten Meer zum Inhalt hatte, ließ dann allenthalben etwas aufhorchen durch ein Aha-bedingtes "Wiedererkannthaben" beteiligter Akteure wie z.B. Martin Wuttke, Peter Sauerbaum, Rüdiger Schaper oder Einar Schleef - hier konnten sich dann auch die schauspielernden Bardo Böhlefeld, Felix Rech, Veit Schubert, Kathrin Wehlisch und Carina Zichner etwas intensiver in ihr Rollenzeugs hineinlegen als bei dem ständigen Daherzitier'n davor/danach.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 03.02.2019.]

HEINER 1 - 4 (Kleines Haus, 02.02.2019)
ENGEL FLIEGEND, ABGELAUSCHT von Fritz Kater

Regie: Lars-Ole Walburg
Bühne: Robert Schweer
Kostüme: Nina Gundlach
Musik: Tomek Kolczynski
Licht: Benjamin Schwigon
Dramaturgie: Stephan Wetzel
Mit: Felix Rech, Veit Schubert, Kathrin Wehlisch, Carina Zichner und Bardo Böhlefeld
Uraufführung am Berliner Ensemble: 26. Januar 2019
Weitere Termine: 03., 16., 17.02. / 08., 10., 20.03.2019

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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