In memoriam Liane Kampeter (1955-2021)

Nachruf "Tschüss, liebe Liane!"

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Am Freitagfrüh früh verschied die Künstlerin, nachdem sie ihrer schweren Krankheit tapfer und entschlossen lange Zeit die Stirn geboten hatte, unfern und im engsten Kreis ihrer Familie; am Samstagvormittag erfuhr ich es von ihrem Mann.

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KULTURA-EXTRA verliert mit ihr eine der vielseitigsten und beherztesten Autorinnen. Ihr zupackender, unverwechselbarer Schreibstil fiel mir bereits auf, als sie mir Ende März 2014 erstmals mailte, um von mir bestätigt zu bekommen, dass wir "Texte zur Kultur im Allgemeinen wie Besonderen" hersuchten, und sie bot sich uns sofort als neue Mitstreiterin an, auch meinte sie: "...ich schreibe gerne".

Zwischen ihrem ersten Beitrag, den sie mit Ist Auftragskunst verpönt? betitelte, und ihrem letzten Text über die Kunstaktion vom Chimera Art Collective in Hamburg (Bis auf Weiteres geschlossen) liegen sieben Jahre, während denen sie 112 mal als Autorin bei uns in Erscheinung trat. Und so verfasste sie diverse Ausstellungsbesprechungen, bei denen sie besonders sachkundig und selbstbewusst zu ihrer Eigenkreativität als ausübender Künstlerin Querlinien ziehen konnte. Außerdem bereicherte sie die Theater- und Musikkritiken, die sie hin und wieder lieferte, mit der Vermittlung ungewohnt spontaner und somit auch völlig unkonventioneller Eindrücke, auf alle Fälle zeugten diese schönen Beispiele, bar jedem angelernten Studienwissens, dafür, dass es durchaus legitim sein kann, so aus dem Bauch heraus zu künstlerischen Dargebrachtseinsformen lesenswerte Aussagen, tatsächlich auch als eingestandener Theater- und Musik-"Laie", treffen zu können; ja und ausgerechnet deshalb fand ich die Liane-Texte immer ganz, ganz, ganz besonders gut!

Eingebetteter Medieninhalt

Ein Jahr, nachdem sie bei uns angefangen hatte, trafen wir uns Mitte März in Hamburg - abends sah ich mir im Deutschen Schauspielhaus Pastor Ephraim Magnus an, und ab dem späten Vormittag nutzten wir noch ein Zeitfenster zu unserm Treffen; leider war es dieses erste und einzige Mal, dass ich Liane so von Angesicht zu Angesicht begegnete. Wir frühstückten im Café Gnosa (es war ihr Vorschlag), danach spazierten wir Richtung Hauptkirche Sankt Jacobi (es war mein Vorschlag); ich wollte dort die Orgel, die Hans Henny Jahnn (mein Lieblingsdichter, wie ich ihr gestand) mitrestaurierte, hören, aber leider war die Kirche an dem Tag geschlossen. Also schlenderten wir weiter, anfangs ziellos, bis wir schließlich an der Binnenalster anlangten, um dort bei durchbrechender Sonne anderthalb Stunden lang über dies & das zu plaudern, ich erzählte über mich, und sie erzählte über sich, und beide zogen wir "Vergleiche" - immer, wenn sich Menschen überhaupt das allererste Mal begegnen, weiß wohl niemand vorher, wie diese Begegnung nachher ausgeht; wir bemerkten schnell, dass es unendlich viele Themen gab, auf die der eine und die andere prompt einzugehen willens waren, also gab es jede Menge zu erzählen, und die Zwischenzeit verging (für mich; ich kann ja nur für mich sprechen) im Fluge...

Erst viel später kriegte ich in ihren Emails mit, wie ernsthaft krank sie schon so lange war. Nie lamentierte sie. Nie klagte sie. Und nie verlor sie ihre strahlend helle Zuversicht, ihren so unbändigen Aktionismus, ihre fast schon manisch anmutende Sucht nach Leben und (vor allem auch) nach Weiterleben. Immer hatte ich dieses Gefühl, wie ich sie, wenn sie mir nach langen Pausen schrieb und ihre aufmunternden Texte beigab, wiederlas, zwischen all ihren Zeilen so ein unbeschreiblich schönes Glücksgefühl erspürt zu haben: überhaupt dann auf der Welt zu sein, auf ihr - wie traurig das jetzt klingt - gelebt haben zu dürfen. Ja, ich glaube schon, sie lebte und sie liebte sehr, sehr, sehr bewusst. Und, nein, bewusster ging es sicher nicht.

Makaber und komisch zugleich:

Ihr letzter Beitrag (Bis auf Weiteres geschlossen, wie bereits erwähnt) endete mit dem Satz: "Eine Kranzniederlegung könnte ein guter Anfang sein." Und plötzlich war sie selbst eine Betroffene.

Nichts weiß wer richtig, was zu tun sein sollte, wenn du plötzlich nicht mehr da bist.

Tschüss, liebe Liane!!

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA v. 13.03.2021.]

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

Andre Sokolowski

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