JEWGENI ONEGIN mit finaler Regenszene

Premierenkritik Barrie Kosky & Henrik Nánási stemmen Tschaikowski an der Komischen Oper Berlin

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Vor ungefähr elf Jahren gab's zum letzten Mal Tschaikowski's Jewgeni Onegin an der Komischen Oper Berlin - das war allein schon deshalb allererste Sahne, weil ihn zu der Zeit Kirill Petrenko (einstmaliger GMD am Hause in der Behrenstraße und, ganz aktuell, der designierte Chefdirigent der Berliner Philharmoniker ab 2019) musikalisch leitete; die Inszenierung stammte von Andreas Homoki.

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Jetzt befindet sich Tschaikowskis inbrünstiges Wunderwerk erneut dann auf dem KOB-Plan; Barrie Kosky hatte inszeniert, Henrik Nánási dirigiert - wir sahen/hörten gestern Abend die Premiere...

Die zwei jungen Leute, die in diesem tollen Stück partout nicht glücklich sein oder zusammenkommen wollen, investieren jeweils einen übergroßen und vom jeweils Anderen so nicht zu akzeptierenden (weil ihn hiermit erschlagen wollenden) Verliebtheitsbatzen - die Tatjana treibt ihr Sehnsuchtsspiel im ersten, der Onegin seins im zweiten Teil der Handlung. Diese wird durch ein paar Jahre zeitlich voneinander abgetrennt - - als sich die Beiden wiedersehen, wiederholt sich Alles (namentlich Tatjanas Briefszene), nur dieses Mal halt "umgekehrt"; der, der ihr Sehnsuchtswerben (mit dem Briefchen) damals ablehnte, wird nunmehr selber von der vormals Abgelehnten abgelehnt. [Die Nebenhandlungen sowie -figuren aus dem Vorher oder Gleichzeitig haben erstaunlich-merkwürdige Un-/Unterbelichtungen; was war und ist hier los?] Dass alles Das jedoch mit viel, viel "altem" Liebesleid und Liebesschmerz zu tun hat und die Beiden ganz am Schluss so quasi um die Wette liebesleiden und im Liebesschmerz geradezu ersaufen - darauf szenisch/musikalisch ganz besonders aufmerksam gemacht zu haben, stiegen Kosky & Nánási in den Ring: Der Himmel fing zu weinen an, es öffneten sich alle Schleusen, und man sah/hörte eine der schönsten Liebesleid- und Liebesschmerzszenen, die es wohl gibt - man sah/hörte es derart intensiv, dass einem selbst die Tränen ungehemmter Weise nur dann so geschossen kamen!!

Und das Paar des Abends daher auch: Asmik Grigorian (als Tatjana) sowie Günter Papendell (als Jewgeni Onegin)!

Bis zu dieser Art von Showdown dümpelte die Inszenierung anhaltend im Sommergäste-Grünen - unter einem Nacht aus Blei-Himmel (Bühne: Rebecca Ringst).

Es gab natürlich - außer unserm Traumpaar - auch noch weitere bemerkenswerte sängerische Leistungen zu registrieren: Aleš Briscein (Lenski), Alexey Antonov (Fürst Gremin), Christoph Späth (Triquet) und Margarita Nekrasova (Filippewna).

Dem Orchestergraben tat ein samtweichener, völlig unharter, "unaufgeregter" und obgleich doch leidenschaftlich-warmer Klang entströmen. Anfangs schien der Chor etwas zu schleppen; so etwas passiert dann meistens, wenn er von ganz hinten nach ganz vorne muss.

Kosky/Nánási fokussierten ihren Seelenklempnerblick auf etliche Details ihrer schon ausgefuchst zu nennenden Personensichtungen - weswegen auch dann bei entsprechenden "Herausstellungen" szenisch scheinbar wenig, aber musikalisch umso mehr passierte.

Könnte lange Zeit im Repertoire verbleiben.

Ovationen.


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Finale Regenszene aus Jewgeni Onegin an der Komischen Oper Berlin | Foto (C) Iko Freese/drama-berlin.de

[Erstveröffentlichung von Andre Sokolowski am 01.02.2016 auf KULTURA-EXTRA]

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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