John Adams bei den Berliner Philharmonikern

Musikfest Berlin "Harmonielehre" und "Scheherazade.2" UND die Ausnahmegeigerin Leila Josefowicz

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Der US-amerikanische Tonschöpfer John Adams (69) ist in dieser Spielzeit der Composer in Residence bei den Berliner Philharmonikern, d.h. dass sie diverse Werke von ihm musizieren werden und er auch gelegentlich als Dirigent oder Gesprächspartner im ersten Haus am Platze zur Verfügung steht. Jetzt war er diesbezüglich - beim so nach und nach zu Ende gehenden MUSIKFEST BERLIN 2016 - erstmals hochpräsent (als Komponist und als Kapellmeister zugleich):

"Das Orchesterwerk Harmonielehre (1985) nimmt im Titel bewusst Bezug auf das Lehrbuch, das Arnold Schönberg 1911 veröffentlichte, meint aber allgemein jene Epoche der Aufbrüche. Vor allem gelingt John Adams in Harmonielehre eine atemberaubende Entfesselung der Orchesterkräfte, mit Impulsen der Minimal Music, aber auch mit weiten Bögen und funkelnden Klangflächen. Zwischendurch geht es sogar in die Parsifal-Welt Richard Wagners. John Adams‘ Dramatische Symphonie für Violine und Orchester Scheherazade.2 präsentiert die Heldin aus Tausendundeiner Nacht, jedoch nicht als Märchenidylle, sondern als kritische Reflexion über Gewalt gegen Frauen weltweit. Adams erweist sich hier erneut als orchestraler Klangmagier, überrascht mit Cimbalom-Einsatz und zitiert auch mal Rimsky-Korsakow."(Quelle: Berliner Festspiele)

Die mehr als 20 Jahre "alte" Harmonielehre strotzt schier vor abendländisch inspiriertem und/oder zitiertem Mehrerlei - besonders aus dem spätromantischen "Ideenkreis". Ein manisch anmutendes Kraft-Werk, das wie selbstverständlich den Gelüsten unseres Orchester auf das Herzhafteste nahe kommt; ja und so spielte es denn auch als hätte es die Harmonielehre schon immer auf sein Pult gelegt bekommen.

Ungleich anders wie vielleicht auch "etwas schräger" tat es sich mit Adams' Scheherazade.2 verhalten. Eine hochkomplexe als wie durchweg raffiniert instrumentierte dramatische Dichtung für Violine und Orchester; ganz entfernt vergleichbar mit dem Strauss'schen Don Quixote (wo seinesteils das Cello sich in divenartiger Korrespondenz mit dem Orchester einlässt). / Adams hat das Stück für die Ausnahmegeigerin Leila Josefowicz komponiert - sie dürfte derzeit wohl die Einzige weltweit gewesen sein und sicher lange Zeit auch bleiben, die dem Werk dann DAS verpasst, was es womöglich derart einmalig und halt dann "etwas schräger" als gewöhnlich macht. Ihre zupackend-zwingende Performance hatte schon penthesileanisch anheimelnde Frauenpower.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 19.09.2016.]

Musikfest Berlin

BERLINER PHILHARMONIKER (Philharmonie Berlin, 16.09.2016)
John Adams: Harmonielehre für Orchester [1985]
- Scheherazade.2 | Dramatische Symphonie für Violine und Orchester (DEA)
Leila Josefowicz, Violine
Berliner Philharmoniker
Dirigent: John Adams

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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