Kirill Petrenko | Bayerisches Staatsorchester

Musikfest Berlin Das "Meistersinger"-Uraufführungsorchester gab in Berlin (s)eine Wagner-Zugabe - vorher noch erklangen Werke von Ligeti, Bartók, Strauss

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Kirill Petrenko, der designierte Chefdirigent der Berliner Philharmoniker (ab 2019/20), macht sich - bis zu seinem offiziellen Antritt in der Hauptstadt - erst mal richtig rar; in dieser Spielzeit kann man ihn gerade mal am 22. und 23. März 2017 mit den Philharmonikern erleben, wenn er Mozarts Haffner-Sinfonie, John Adams' The Wound-Dresser sowie Tschaikowskys Pathétique mit ihnen spielt.

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Jetzt schlug er mit dem Bayerischen Staatsorchester, seinem derzeitigen Arbeitgeber "in Gestalt" der Bayerischen Staatsoper, und angelegentlich einer Europa-Tour des Traditionsklangkörpers [seine Wurzeln gehen bis auf 1523 zurück] beim 2016er MUSIKFEST BERLIN kurz auf. Es ist somit das dritte der drei Münchner Exklusiv-Gastspiele zu dem diesjährigen Festival, denn vorher taten hier bereits das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und die Münchner Philharmoniker Spektakuläreindrücke hinterlassen - von der Werkauswahl her war es wohl das am unaufgeregteste der drei Konzerte.

Allenthalben mit Lontano von dem Ungarn György Ligeti, das schon aufgrund seiner auch sichtbar massigen Orchestergroßstruktur gewissermaßen aus dem Rahmen fiel, sollte und konnte an den frischwindigen Pflege-/ Auseinandersetzungswillen hinsichtlich Neuer (oder halt etwas zeitlich 'rückliegenderer) Musik, der dieses Fest schon immer vordergründig zierte, alibimäßig erinnert sein:

"'Die Musik zieht, wie ein Komet seinen Schweif, einen breiten Bereich an Assoziationen aus allen Ebenen der menschlichen Erlebnisse nach sich', erklärte György Ligeti gegenüber Ove Nordwall. 'Auf diese Weise ist für mich Musik, oder das artifizielle Produkt ‚Kunstwerk’, mit allen Ebenen der Vorstellung, auch des realen Lebens, verbunden. Aber alles wird in Musik umgesetzt.'" (Quelle: Berliner Festspiele)

Danach spielte Frank Peter Zimmermann (auf seiner neuen Stradivari, die ihm der Herr Yu, ein steinreicher Asiate, lieh) das Violinkonzert von Bartók: atmosphärisch und gediegen.

Und als Hauptprogrammteil gab es Richard Strauss' großartig-läppische Symphonia Domestica, ein sehr selten dargebot'nes Schmankerl mit fast Alpensinfonie-haftem Gewicht. Das Stück an sich ist derart sinnlos, dass es einfach keine Worte hierfür gibt - dennoch umhaucht Einem dieser schier schwelgerische Ton; Petrenko seinesteils vermag wohl Alles, was er so an Partitur zwischen die Finger kriegt, zu regelrechten Hypes heraufzustilisieren.

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Mit der durchgehetzten Meistersinger-Ouvertüre (in der obig schon beschrieb'nen Schwergewichtsbesetzung) schloss der hochgrandiose Abend dieser musizierwütigen Münchner; sie klang freilich "etwas laut" und war sodurch fast gänzlich frei von kammermusikalischer Finesse; aber immerhin: es war und ist das Meistersinger-Uraufführungsorchester! ja, wenn das nichts ist?

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 15.09.2016.]

Musikfest Berlin

BAYERISCHES STAATSORCHESTER (Philharmonie Berlin, 14.09.2016)
György Ligeti: Lontano für großes Orchester
Béla Bartók: Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 Sz 36
Richard Strauss: Sinfonia Domestica
Zugabe: Meistersinger-Ouvertüre von Wagner
Frank Peter Zimmermann, Violine
Bayerisches Staatsorchester
Dirigent: Kirill Petrenko

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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