"Lezioni di Tenebra" von Lucia Ronchetti

Opernkritik Premiere in der WERKSTATT der Staatsoper im Schiller Theater

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Im Jahr 2011 gab es schon einmal eine WERKSTATT-Inszenierung einer Kammeroper Lucia Ronchettis, und die war mit Last Desire übertitelt - frei nach Salome von Oscar Wilde o.s.ä.; wir berichteten hierüber...

Jetzt hat sich die Staatsoper im Schillertheater (wo sie halt die tolle und berühmte WERKSTATT - bis sie eines fernen Tages wieder an die Linden umzieht - weiter nutzen und bespielen kann) erneut ein Werk Ronchettis vorgeknöpft.

Die Komponistin "hat CavallisGiasone 'überschrieben' und bezeichnete die hieraus entstandene und 2010 uraufgeführte Kammeroper Lezioni di Tenebra als 'Riduzione'. So werden alle Personen des Originals von lediglich zwei Solisten in wechselnden Rollen und einem vierköpfigen Ensemble verkörpert. Auch das Instrumentarium wurde angepasst. Eine Besonderheit des Werkes liegt hierbei in der Erweiterung des vokalen und instrumentalen Klangspektrums. Inhaltlich werden die zentralen Themen des Librettos wie Liebe, Eifersucht und Schmerz aus dem Handlungszusammenhang herausgelöst und in neuen szenischen Räumen und Konstellationen verhandelt." So steht es auf staatsoper-berlin.de geschrieben - und: "'Lektionen der Finsternis', wie der Titel im deutschen Original lautet, bietet eine sowohl bewusste als auch originelle Auseinandersetzung mit der italienischen Operngeschichte und besticht durch die eindrucksvolle Verbindung barocker Formen und Stilelemente mit denen der zeitgenössischen Moderne."

Und es scheint wohl heutzutage kaum noch möglich, ohne eine Vorherkenntnis derartiger Subtexte (s.o.) oder anderen diversen Krückzeugs zeitgenössische Musik, was deren intellektuelle Rezeption betrifft, annähernd zu verstehen; so mit "Augen zu und durch" wäre man da - was nun den aktuellen Fall der Kammeroper von Ronchetti anbelangte - ziemlich aufgeschmissen. Alles hörte sich zwar aufregend, interessant an; doch worum es in dem Werk konkret dann ging oder gegangen wäre - - ohne einen aufführungsbegleitenden Kontrollblick ins Programmheft (wie gesagt): Null Chancen der Verständigung!

Auch Regisseurin Reyna Bruns (die selber eine Komponistin und Dramatikerin ist) trug nicht besonders viel zur allgemein vereinleuchtenden Werksicht bei: Gut fanden wir jedoch, dass an der Wand (Bühne/Kostüme von Stephan von Wedel) die Dramatis personae des Stückes aufgelistet wurde und die jeweiligen Rollen-Namen, und sobald sie lt. des Stückes in Aktionen traten, angeleuchtet waren und man daher immer wusste, wer gerade sang; ja und so konnten praktisch die entsprechenden Passagen in dem deutschsprachigen Stücktext (Übersetzung des Librettos aus dem Italienischen: Jens Schroth), quasi zur Selbstkontrolle, nachgelesen resp. nachvollzogen werden.

Jedenfalls: Es handelte sich allem Anschein nach um irgend so ein kompliziertes Jason-und-Medea-Ding; auch C. G. Jung wurde uns, stückbegleiterisch, zitiert à la "der Mensch würde in seiner größten Leidenschaft, der Trägheit, zum Stillstand kommen" oder wie auch immer...

Daniel Gloger und Olivia Stahn waren die beiden Haupt-ProtagonistInnen; das Arbeitspensum der zwei SängerInnen war beträchtlich und in einem wahrlich überspannten Maße anspruchsvoll. Stimmakrobatik pur. / Ihnen zur Seite ein extrem gut singendes Vokalquartett (die Namen s.u.) // Dirigent Max Renneleitete dann außerdem sechs oder sieben Mitglieder der Staatskapelle Berlin bzw. deren Orchesterakademie; wir hätten gern gewusst, wie diese Instrumentalisten hießen - aber dafür reichte scheinbar doch nicht mehr der Platz im eigentlich vorzüglich zusammengestellten Programmheft; nein, wir wollen das daher jetzt nicht als irgendwie respektlos (gegenüber diesen für uns "unbekannten" Musikern) bewertet haben.

Und schon jetzt bekunden wir erquickerische Vorfreude auf eine weitere Begegnung mit bekannten oder unbekannten Opern Lucia Ronchettis durch die Staatsoper Berlin!

[Erstveröffentlichung von Andre Sokolowski am 31.01.2014 auf KULTURA-EXTRA]

http://vg06.met.vgwort.de/na/881991f13bbd4daabea62d3fb7f1eb29

LEZIONI DI TENEBRA (Werkstatt, 30.01.2014)
Musikalische Leitung: Max Renne
Regie: Reyna Bruns
Bühne und Kostüme: Stephan von Wedel
Mit Olivia Stahn und Daniel Gloger sowie Martin Gerke, Sónia Grané, Lena Haselmann und Christian Oldenburg
Uraufführung im Konzerthaus Berlin war am 24. Februar 2011
Premiere in der WERKSTATT im Schiller Theater: 30. Januar 2014
Weitere Termine: 31. 1. / 2., 7., 10. 2. / 27., 29. 6. 2014

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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