MEETING (mit Panne)

Tanz im August 2015 Antony Hamilton & Alisdair Macindoe und ihr Zauberspielzeug

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Die beiden Australier Antony Hamilton und Alisdair Macindoe nennen ihre Performance MEETING. Und so trafen nicht nur sie (sie beide) sich dann im HAU3, sondern sie trafen ebenso auf ihr im Kreis bereitgestelltes und/oder zu jeweils 8 mal 8 Stück, insgesamt dann also 64 Stück, zurechtgelegtes Spielzeug - kleine und mit jeweils einem Bleistift an der Längsseite befestigte Holzkästchen, deren "Innenleben" (was so nicht zu sehen war) mit Hightech angefüllt gewesen sein muss, denn: die Bleistifte konnten (durch Fernbedienung, -steuerung) zum Hämmern gebracht werden, verwandelten sich also justament in Schlagzeuge...

Am Anfang haben die Performer in der Mitte des Kreises Position bezogen. Und schon fangen die Verselbständigungen der Spielzeugkästchen an - man meint zunächst, dass diese dinglich-abartige Wirkung wegen eines Magnetismus, der von den Performern auf die Spielzeugkästchen überging, zustande käme, weil bei jeder anderweitig sich manifestierenden Bewegung oder Stellung der Performerköpfe oder -hände die "dazu passenden" Rhythmen (mittels Bleistifthämmern) zu vernehmen waren; aber weit gefehlt:

Das "anwesende" Spielzeug baute immer mehr und immer weiter seine autonome Unabhängigkeit von den Performern aus, und justament hatte es bald den Anschein, dass es eine Art Dissens zwischen den Parallelwelten (Mensch/Ding) womöglich geben sollte oder müsste - - auch: das Eine schien dem Anderen in keinster Weise Untertan zu sein.

So passte es auch irgendwie dann wie die Faust aufs Auge, dass es (in der Tat) dann eine Panne gab, die von dem anwesenden Publikum freilich erst in der eigentlichen Dimension so richtig wahrgenommen worden war, als Alisdair Macindoe (der Erfinder und Erbauer seines eignen Zauberspielzeugs) impulsiv-abrupt und schlecht gelaunt den Kreis verließ, über das Auditorium hinweg in den Regieverschlag verschwand, um mit dem Techniker die aufgetretne Panne schleunigst zu erfassen resp. zu beheben - - Alles wurde gut, und Alles passte schließlich wieder; der Computer, der das komplizierte Innenleben dieser unberechenbaren Zauberspielkästen zu steuern hatte, war halt kurzfristig ein kläglicher Versager, so was kommt dann schon mal vor.

Hamilton/Macindoe bauten - im letzten Handlungsdrittel der Performance - ihren Kreis entzwei, d.h. sie ordneten die Spielzeugkästchen jeweiligen "Resonanzböden" (aus Klingeln, Schüsseln, Näpfen, Pfeifen, Untertassen, Untertellern usf. bestehend) zu. Von nun an hämmerten die Bleistifte demnach dann nicht mehr bloß zum Tanzboden herunter, sondern auf die ihnen zugeteilten Unterflächen ("Resonanzböden").

Nachdem sich die Performer gänzlich aus der Szene weggestohlen hatten, gab es schlussendlicher Weise eine ganze Schlagzeug-Symphonie mit lauter Überraschungen zu hören.

Ja, der Intendant von dem in 14 Tagen startenden Musikfest Berlin hätte sich das mal, spaßenshalber, anhör'n sollen. Sehr gut vorstellbar, dass es für Hamilton/Macindoe daraufhin zu einer exklusiven Einladung gekommen wäre. Doch man kann halt nicht auf allen Hochzeiten auf einmal tanzen...

Zähes Zählknall-Gaudi.


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MEETING von und mit Antony Hamilton & Alisdair Macindoe| Foto (C) Gregory Lorenzutti

[Erstveröffentlichung von Andre Sokolowski am 20.08.2015 auf KULTURA-EXTRA]

MEETING (HAU3, 20.08.2015)
Choreografie, Regie und Performance: Antony Hamilton
Instrumente (Design und Konstruktion), Komposition und Performance: Alisdair Macindoe
Licht: Ben Shaw
Kostüm: Paula Levis
Produktion Insite Arts - Freya Waterson
TANZ IM AUGUST 2015

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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