Nina Hoss spielt Geige

Filmkritik DAS VORSPIEL von Ina Weisse

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Nina Hoss ist Anna Bronsky in dem Film Das Vorspiel; Ina Weisse hat Regie geführt und auch (mit Ko-Autorin Daphne Charizani) an dem Buch geschrieben. "Anna flirrt", befand die Hauptdarstellerin bereits beim ersten Lesen...

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"Anna Bronsky ist Geigenlehrerin an einem Musikgymnasium. Sie setzt gegen den Willen ihrer Kollegen die Aufnahme eines Schülers durch, den sie für sehr talentiert hält. Engagiert bereitet sie Alexander auf die Zwischenprüfung vor und vernachlässigt dabei ihre Familie. Ihren Sohn Jonas, den sie in Konkurrenz zu ihrem neuen Schüler bringt und ihren Mann Philippe. Ihr Kollege Christian, mit dem sie eine Affäre hat, überredet sie in einem Quintett mitzuspielen. Als Anna in einem Konzert als Geigerin versagt, treibt sie ihren Schüler zu Höchstleistungen an. Am Tag der entscheidenden Zwischenprüfung kommt es zu einem folgenschweren Unglück." (Quelle: port-prince.de)

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Der Filmplot [s.o.] bringt dann Alles, worum es in der Geschichte geht, auf einen Punkt; und dererlei spielt sich in exklusiven Kreisen von nicht ausschließlich im Zweitgewerbe unterrichtenden BerufsmusikerInnen gar nicht mal so selten ab. Fakt war und ist, dass nur die Auserwähltesten der Auserwählten auf persönliche Karrieren als berühmte oder weniger berühmte InstrumentalistInnen zurückzublicken in der Lage waren oder sind - die strikte Übereinstimmung von einer außerordentlich natürlichen Begabung (sprich: Talent) und "antrainierter" Fingerfertigkeit (sprich: Üben, Üben, Üben) darf als grundvoraussetzend bezeichnet sein, um in dem elitären Zirkel überhaupt erst wahrgenommen oder respektiert zu werden. Ein Beruf also auch, um in ihm mitunter zu versagen oder gar total zu scheitern, was dann letzten Endes auf ein generelles Künstlerpech hinaus liefe. Ja und die meisten der Betroffenen erleben halt dann dieses künstlerische Scheitern, und dann tut man sie zuletzt womöglich "nur noch" als Musiklehrkräfte ausmachen; auch DAS meinte der Film!

Die Hoss, die selbst von Kindheit auf Klavier spielt, hat nun extra - wegen der ihr angebot'nen Rolle - Geigenunterricht genommen. Und es sieht grandios aus, wie also wie echt sie beispielsweise mit drei Mitgliedern des professsionellen Kuss Quartetts gemeinsam musiziert - freilich, die Aufnahme zu dem von ihnen allen (inklusivee Jens Albinius als Cellist und Annas Liebhaber-Kollege) musizierten Streichquintett war "aufgespielt", doch das Authentische, vom abgefilmten Feeling her, trübte die Angelegenheit mitnichten.

Berührend und erschreckend zu besichtigen, wie Nina Hoss den mehr und mehr zerfallenden Gesichtszügen der Anna Bronsky alle Feuchtigkeit und somit allen Lebenssaft entzieht. Man nimmt sie pausenlos als mit sich Hadernde und dementsprechend schlecht gelaunt und völlig unterkühltermaßen wahr. Simon Abkarian & Serafin Mishiev als Annas Mann & Annas Sohn leiden ganz selbstverständlich unter dieser permanenten Fuchtel einer sie umgegenwärtigen Unzufriedenheit, eines sie schier tyrannisierenden privaten Selbstzweifels einer Person, die immer aussichtsloser in die Irre treibt. Dass sie sich gar zum Schluss an ihrem Lieblingsschüler Alexander (hochgenial verkörpert durch den jungen Ilja Monti!!) körperlich vergreift, versetzt dem Film "hochauflösend" sein schockmomentiges Finale...

Thomas Thieme und Ruth Bickelhaupt (als Annas Vater sowie Annas alte Tante), Winnie Böwe (als Mutter von Alexander) oder Sophie Rois (als mit Anna feindselig konkurrierende Kollegin) sind nicht weniger beeindruckend in kleinen Rollen nacherlebbar.

Unterm Strich:

Die beste Hoss seit Jahren!

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 22.01.2020.]

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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