PAULUS von Felix Mendelssohn Bartholdy

Bachfest Leipzig 2017 Rheinische Kantorei und Das Kleine Konzert sangen und musizierten unter der Leitung von Hermann Max in der Leipziger Thomaskirche

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Morgen geht das diesjährige BACHFEST LEIPZIG zu Ende, was an den zurückliegenden neun bzw. zehn Tagen mit insgesamt 120 Programmen, 3.578 Mitwirkenden (darunter 37 Chören, 30 Orchestern, 118 Kammermusikensembles, 170 Gesangssolisten, 49 Dirigenten und 51 Instrumentalsolisten) in 25 Veranstaltungsorten in und um die Messestadt aufwartete. Eines der ersten internationalen Highlights der allmählich anlaufenden sommerlichen Festspiele-Saison.

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Wir waren vorgestern bei Paulus von Felix Mendelssohn Bartholdy:

Der Komponist "traf eine gezielte Auswahl darüber, welche Szenen er in seinen Paulus hineinnehmen wollte. Das Oratorium, in zwei Teile gegliedert, beschreibt den Werdegang vom Saulus zum Paulus, wobei der erste Teil seine Verfolgung der Christen (Märtyrertod des Stephanus durch Steinigung) schildert und das Damaskuserlebnis der Erscheinung Christi. Der zweite Teil erzählt von seiner Arbeit als Missionar und von den damit verbundenen Gefahren. Dass Mendelssohn dramatisch besonders wertvolle Szenen, wie die im Kerker von Philippi und die des Tribunals von Caesarea, nicht verwendet hat, wurde oft bedauert, doch ging es ihm wahrscheinlich eher um die Umsetzung und Erzählung der Apostelgeschichte als um die Darstellung von Paulus als Persönlichkeit. Im zweiten Teil kommt der Ton dem einer Predigt sehr nahe. Im Schlusschor zieht Mendelssohn das Fazit, dass nicht nur Paulus die Gerechtigkeit Gottes durch seine Standhaftigkeit erfährt, 'sondern alle, die seine Erscheinung lieben'. Somit stellt das Oratorium auch eine Aufforderung zur Bekehrung dar." (Quelle: Wikipedia)

Die Eltern des kosmopolitischen Musikers gehörten zur deutsch-jüdischen Aristokratie. Als 1819 in vielen Städten des damaligen Deutschen Bundes Ausschreitungen gegen jüdische Mitbürger (die sog. Hepp-Hepp-Krawalle) eskalierten, beschlossen die Mendelssohns vorsorglich ihre vier Kinder protestantisch taufen und christlich erziehen zu lassen - dieser von ihm unverantwortete biografische Eingriff hinderte den "Konvertiten" nicht daran, sich Zeit seines Lebens mit seiner jüdischen Abstammung auseinanderzusetzen; Paulus könnte also für ein sicheres Indiz des Mendelssohn'schen "Zwiesprachehalten" zwischen Judentum und Christentum gehalten werden, was dann wiederum für eine aktuelle Werke-Rezeption interessanter denn je zu seien scheint.

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Die weit über ihre Landesgrenzen hinaus bekannte und berühmte Rheinische Kantorei und die sie stets begleitende Barockorchester-Formation Das Kleine Konzert (wobei "klein" nicht mit "klein besetzt" verwechselt werden darf!) führten den Paulus - ganz im Sinne der historischen Aufführungspraxis - in der Thomaskirche auf.

Hermann Max (76), der Gründer sowie langjährige Leiter der zwei obigen Ensembles, gibt dem dramaturgisch-inhaltlich bedingten Widerspenstig-Widerstrebenden dieses bireligiösen Werkes - was das Musikalische betrifft - ein "ausgleichend" Verortendes und tut den insbesondere im zweiten Teil markant-merkwürdigen Bekehrer-Ton ganz undogmatisch in das Wolkige verebben lassen. Seine dirigentischen Akzente setzt der von ihm einstudierte Chor mit glasklar tönender Bravour in nachhal(l)tige Atmosphäre um. Von den GesangssolistInnen muss Jochen Kupfers extra-maskulinisierte Paulus-Sicht die deutlichste Erwähnung finden! Hochbetörend schön: Veronika Winters Sopran; bei all ihren Rezitativen allerdings versteht man nahezu kein Wort. Sehr glaubhaft und warm tönend: der Tenor von Markus Schäfer.

Anhaltender Beifall.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 17.06.2017]

BACHFEST LEIPZIG (Thomaskirche, 15.06.2017)
Felix Mendelssohn Bartholdy: Paulus

Veronika Winter (Sopran)
Margot Oitzinger (Alt)
Markus Schäfer (Tenor)
Jochen Kupfer (Bariton)
Rheinische Kantorei
Das Kleine Konzert
Leitung: Hermann Max

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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