Plácido Domingo dirigierte DIE WALKÜRE

Bayreuther Festspiele Startenor scheitert als Wagner-Dirigent und wird von der Gemeinde ausgebuht

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Der hochverdienstvolle und weiterhin aktive Opernweltstar Plácido Domingo (71) [vor paar Wochen war er Macbeth an der Staatsoper Unter den Linden] wollte jetzt - nachdem er 18 Jahre vorher letztmals auf dem Grünen Hügel sang - ein groß-großartiges Bayreuth-Comeback, diesmal jedoch als Dirigent (der er, mehr nebensächlich freilich, auch noch ist); dass ihm das Katharina Wagner gönnte und sonach ermöglichte, spricht (rein vom menschlichen Aspekt her) für die Festspielleiterin. Dass dieses künstlerische Unterfangen allerdings dann über sein mehr oder weniger doch vorbestimmtes Wagnis weit hinaus zum musikalischen Desaster abgeriet, tendiert im Nachhinein dann schon in nächster Nähe zum Skandal: Und wohl noch nie in der Geschichte des aus stadt- und land- und weltbekannten Spitzenmusikern im temporären Status bestehenden Festspielorchesters wird man sich vergleichsweise an eine derart unsinnliche, unkoordinierte und unstimulierte Darreichungsvorgabe für Die Walküre erinnern können! // Allerdings war es dann DIE Gelegenheit [und insbesondere für mich], die hochgrandiose Bolschewisten-Inszenierung von Frank Castorf letztmalig erlebt haben zu dürfen: einzig positiver Fakt zur Rechtfertigung des besonderen Events; ja und obgleich es diese unstatthafte Auskopplung der Walküre aus Wagners Ring noch nie an diesem Traditionshaus gab.

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Außerdem:

Die Ring-Tetralogie ist (auch) eine hochgeistige Beanspruchung; der Hörer sollte sich dann schon rein intellektuell etwas mit ihr beschäftigt haben, um ihre Musik mit ihren Dutzenden von Leitmotiven noch versteherischer zu verinnerlichen oder zu genießen - diese anmaßende Anmahnung prallt selbstverständlich am Bewusstseinsstand des wahren Wagnerianers gänzlich ab; er weiß natürlich stets, wovon und was er hört! / Dass "man" den strapaziösen 16-Stunden-Brocken für ein Publikum im Vorschulalter (und auf immerhin 2 Spielstunden!!) verkürzt und komprimiert als eine Kinderoper darreicht, hatten ihre zwei BearbeiterInnen Katharina Wagner, Markus Latsch schon vor paar Jahren sehr erfolgreich ausprobiert. Die Fassung läuft jetzt wieder - in 'ner neuen Inszenierung (unter der Regie von David Merz und mit dem schönen aufklappbaren Holz-Guckkasten-Quader von Julius Theodor Semmelmann). // Sowieso hat sich "Wagner für Kinder" Jahr um Jahr zu einer echten Kaderschmiede für das Festspielhaus paar Meter weiter höher etabliert; das weisen beispielsweise solche Namen wie Christiane Kohl, Simone Schröder oder Timo Riihonen aus - sie spielen und sie singen hier wie dort...

Und:

Der fliegende Holländer (in der Regie Jan Philipp Glogers und der Ausstattung von Christof Hetzer, Karin Jud) wurde 2012 zum ersten Mal gezeigt - sechs Jahre später konstatiere ich als Unterschied zu früher, dass die einvideoisierten Flüssigkeiten schwarz statt rot sind; vorher tat ich jenes rinnsalende Rot als Blutfluss deuten, heute bin ich bei der schwarzen Brühe etwas ratlos; könnte u.U. womöglich Galle sein - ich weiß es einfach nicht. / Ricarda Merbeth singt die Senta, besser noch: sie schreit sie; auch ein Ausdruck dessen, dass sie (fernab ihres sängerischen Hochfrühlings) nicht mehr im Idealmodus stimmtechnischer Kontrolle resp. Selbstkontrolle steckt. Ihr blasses Rollen-Gegenüber Greer Grimsley ist in der Titelpartie zu erleben; auch kein nennenswertes Highlight der Saison. "Nur" Peter Rose als den einen oder anderen gestischen Gag vollführender und seinen Daland derart unterhaltsam brechender Akteur vermag dann meine Müdigkeitsattacken immer wieder mal zu torpedieren; und auch Tomislav Muzek als glaubwürdiges armes Hausmeister- und Hausschwein Erik hält mich etwas wach... // Ansonsten: bitte endlich absetzen; nein, so viel Krampfgeist hält doch keiner auf die Dauer aus!

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 03.08.2018.]

Die Walküre (Festspielhaus, 31.07.2018)
Musikalische Leitung: Plácido Domingo
Inszenierung: Frank Castorf
Ausstattung: Aleksandar Denic (Bühne) und Adriana Braga Paretzki (Kostüme)
Mit: Stephen Gould (Siegmund), Tobias Kehrer (Hunding), John Lundgren (Wotan), Anja Kampe (Sieglinde), Catherine Foster (Brünnhilde), Marina Prudenskaya (Fricka, Schwertleite), Caroline Wenborne (Gerhilde), Christiane Kohl (Ortlinde), Simone Schröder (Waltraute), Regine Hangler (Helmwige), Mareike Morr (Seigrunde), Mika Kaneko (Grimgerde) und Alexandra Petersamer (Rossweisse)
Orchester der Bayreuther Festspiele
Premiere war am 27. Juli 2013
Wiederaufnahme: 31.07.2018
Weitere Termine: 18., 29.08.2018

Wagner für Kinder: Der Ring des Nibelungen (Probebühne, 31.07.2018)
Fassung von Katharina Wagner und Markus Latsch

Musikalische Leitung: Azis Sadikovic
Regie: David Merz
Bühnenbild: Julius Theodor Semmelmann
Mit: Jukka Rasilainen (Wotan), Stefan Heibach (Loge), Simone Schröder (Fricka, Flosshilde), Armin Kolarczyk (Alberich), Ji Yoon (Freia), Paul Kaufmann (Mime), Sebastian Pilgrim (Fasolt, Hunding), Timo Riihonen (Fafner), Christiane Kohl (Woglinde, Sieglinde), Mareike Morr (Wellgunde), Vincent Wolfsteiner (Siegmund) und Daniela Köhler (Brünnhilde)
Brandenburgisches Staatsorchester Frankfurt
Premiere war am 25. Juli 2018
Weitere Termine: 01., 02., 04., 05.08.2018

Der fliegende Holländer (Festspielhaus, 30.07.2018)
Musikalische Leitung: Axel Kober
Inszenierung: Jean Philipp Gloger
Ausstattung: Christof Hetzer (Bühne) und Karin Jud (Kostüme)
Mit: Peter Rose (Daland), Ricarda Merbeth (Senta), Tomislav Muzek (Erik), Christa Mayer (Mary), Rainer Trost (Der Steuermann) und Greer Grimsley (Der Holländer)
Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele
Premiere war am 25. Juli 2012
Wiederaufnahme: 30.07.2018
Weitere Termine: 03., 07., 12., 22., 26.08.2018

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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