Robert Wilson: ENDSPIEL von Samuel Beckett

Kurzkritik Texanische Ästhetik am Berliner Ensemble; wohl das letzte Mal

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Im letzten Jahr (da war schon klar, dass ab der nächsten Spielzeit Intendantenstabwechsel an den am Schauspiel Frankfurt bis dahin amtierenden Oliver Reese sein wird) hätte man vermuten können, dass Bob Wilson - dem Claus Peymann schon seit Jahren und Jahrzehnten am BE sein Haus zum neuerlichen Ausprobieren der texanischen Ästhetik des Allroundkünstlers von Weltruf vorbehaltlos zur Verfügung stellte - mit Faust I und II so eine Art von Schlusstrich unter sein Berlinerisches Wirken setzen würde; jene aufwändige Produktion, die meilenweilt an Goethe irgendwie vorbeizurammen schien, erachteten wir seiner Zeit als eine der vergessenswertesten Regie-Arbeiten des beliebten Stars - gottlob hatte er hier & heute mit Samuel Becketts Endspiel doch noch einmal einen Allerletzten drauf gegeben und sich hiermit als ein Meister bildnerischer Theatralkunst für die Ewigkeiten nach ihm ausgewiesen:

Eingebetteter Medieninhalt"Hamm kann nicht stehen, Clov kann nicht sitzen, Hamm ist der Herr, Clov der Diener, beide sind zum Überleben aufeinander angewiesen. In zwei Mülleimern Nagg und Nell, Hamms Eltern, die 'verfluchten Erzeuger', auch sie können nicht fort. Gemeinsam spielen sie ein nie endendes Endspiel gegen die Hoffnungslosigkeit, trotzen der untergehenden Welt mit unerbittlicher Ironie und heiterer Verzweiflung, denn: 'Nichts ist komischer als das Unglück.' Robert Wilson verwandelt mit Becketts ENDSPIEL erneut einen der Klassiker der Weltliteratur in sein Zaubertheater für alle Sinne."(Quelle: BE)

Georgios Tsivanoglou (!) spielt den Clov und ist der Einzige der vier Akteure, der sich hin und her und auf und ab bewegt; die andern drei laufen von vorn herein unter "behindert". Eigentlich erfüllt dann ausgerechnet DIESES Samuel-Stück alle auch nur denkbaren Voraussetzungen, um in Bob's Ästhetik ideal zu funktionieren - die absurd gezeichneten Figuren und ihr noch absurder sie umgebender Handlungs- und Spielraum wirken irgendwie "identisch"; BeckettWilson, WilsonBeckett.

Hell-grell-weiß-zartgraues Licht, das in der geometrisch haarscharf abgezirkelten Exaktheitsbühne mit der Minimalstverwendung irgendwelcher Requisiten (Minitreppchen, Papphund, Kuschelratte) Einlass findet, wird gelegentlich durch rotfarbene Halbsekundenspots erwichtigt - so wie immer bei R.W.

Kalkmaskige Gesichter mit den dazu passenden Frisuren und Kostümen - ebenso wie immer bei R.W.

Die pantomischen Gebärden und Bewegungen - auch ebenso wie immer bei R.W.

*

Robert "Bob" Wilson - - auf ein Neues! irgendwo und irgendwann...

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 05.12.2016.]

ENDSPIEL (Berliner Ensemble, 04.12.2016)
Regie, Bühne und Lichtkonzept: Robert Wilson
Kostüme: Jacques Reynaud
Mitarbeit Regie: Ann-Christin Rommen
Musik: Hans Peter Kuhn
Dramaturgie: Anika Bárdos
Mitarbeit Bühne: Serge von Arx
Mitarbeit Kostüme: Wicke Naujoks
Mitarbeit Musik: Hans-Jörn Brandenburg
Licht: Ulrich Eh
Videoprojektionen: Tomek Jeziorski
Mit: Martin Schneider (Hamm), Georgios Tsivanoglou (Clov), Traute Hoess (Nell) und Jürgen Holtz (Nagg)
Premiere war am 3. Dezember 2016
Weitere Termine: 23., 25. 12. 2016 / 5., 6. 1. 2017

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

Andre Sokolowski

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden