RUSALKA am Staatstheater Braunschweig

Online-Premiere Regisseur Dirk Schmeding inszenierte eine Prinzenmörderin

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Vorgestern Nacht, nach über 9 Stunden Verhandlungsdauer, legten Bund und Länder ihren neuesten Corona-Beschluss vor. Diesmal ist es ein (Öffnungs-) Stufenplan in fünf sehr ehrgeizigen Schritten, dessen vierter "Öffnungsschritt" auch die Theater, Konzert- und Opernhäuser betrifft - mit frühestem Beginn ab 22. März; vorausgesetzt, dass dann die für die jeweilige Stadt, die es beträfe, angestrebte 7-Tage-Inzidenz von unter 50 existieren würde; doch man könnte auch [wenn ich das richtig las] bei einer 7-Tage-Inzidenz von über 50 in die Häuser Leute reinlassen, dann aber nur mit tagesgültigem Schnell- oder Selbsttest. Was in dem Beschluss nicht stand, war, ob dann die Schnell- oder Selbsttests von dem jeweiligen Einlasspersonal gemacht werden müssten, oder ob sowas wie ein "negativer" QR-Code (?) reichen würde.

Jedenfalls hat Braunschweig heute, 05.03. [lt. braunschweig.de] eine aktuelle 7-Tages-Inzidenz von 52,1 - im Vergleich zu 51,3 von gestern; hieße, dass das Staatstheater nur Besucherinnen und Besucher mit negativem Testergebnis reinlassen dürfte.

Im Vergleich zu Braunschweig sieht es allerdings dann heute, was die Städte/ Landkreise Hannover, Goslar, Vechta, Cloppenburg, Peine, Salzgitter, Leer und Wesermarsch betrifft, nicht ganz so gut aus, denn sie liegen [lt. niedersachsen.de] alle über 100; demnach dürfte dann auch kein Theater in Hannover öffnen, beispielsweise.

Und die Infektions- und Inzidenzzahlen steigen bekanntlich wieder....

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Unsere Rusalka schert das alles freilich nicht, sie ist so alt und unverbraucht wie eh und je, und Regisseur Dirk Schmeding hat der schönen Dvořák-Oper nunmehr eine ökologisch angepasste Sichtweise verschrieben, die das Staatstheater Braunschweig - zur Eröffnung seiner digitalen Bühne - morgen Abend ab halb acht auf seiner Homepage [staatstheater-braunschweig.de/digitale-buehne/] zeigt.

Wir haben uns die Filmaufzeichnung vorab angeschaut und angehört und waren hiervon ziemlich angetan:

"Die Nixe Rusalka hat nur einen einzigen Wunsch: Sie sehnt sich danach, ihre Wasserheimat zu verlassen, als Mensch unter der warmen Sonne zu leben und die Liebe kennenzulernen. Für den Prinzen, von dem sie träumt, ist sie bereit, alles hinter sich zu lassen. Rusalka ignoriert die Warnungen des Wassermanns und lässt sich von der Hexe Ježibaba in Menschengestalt verwandeln, um ihrem Liebsten zu begegnen – wissend, dass sie einen hohen Preis dafür zahlen muss. Für einen herrlichen Moment schwebt Rusalka im seligen Liebestaumel mit ihrem Prinzen, doch das Glück währt nicht lang…" (Quelle: Staatstheater Braunschweig)

Eingebetteter Medieninhalt

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Julie Adams (als Rusalka) und Jisang Ryu (als Wassermann) schleifen bei ihrem Erstauftritt je einen kitschig altmodischen Schuppenflossenschwanz (Kostüme: Julia Rösler) nach sich, doch ansonsten sieht ihr wasserloses "Wasserumfeld" ziemlich ramponiert und mitgenommen aus, es gleicht mehr einer ausgetrockneten und müllverseuchten Jauchengrube, rechterseits sieht man die große Öffnung eines Abflussrohres, linkerseits eine zur Seite umgekippte Waschmaschine mit der Typenmarke W31-3OH von Electrolux... Bald tritt schon Edna Prochnik (als die Penner-Hexe Ježibaba) auf und streift sich rostrotbraune Gummihandschuhe bis zu den Ellenbögen über, greift zur Astschere und tut die menschwillige Törin justament von ihrem Nixensein befreien; und ab da (nach ca. 40 min Spieldauer) sagt die zum Mensch Gewordene erst einmal weitere 40 Minuten nichts oder nichts mehr, die Hexe hatte sie, was die Bedingung war, halt auch von ihrer Sprachbefähigung befreit... Kwonsoo Jeon (als Prinz) fährt Dino-Fiat-Coupe und gabelt dann die unter dessen Kühlerhaube Hingeratene verliebtermaßen auf; doch eigentlich ist er viel mehr scharf auf Ekaterina Kudryavtseva (als fremder Fürstin), die als 1:1-Kopie aus einer Delilal-Werbung entspringt...

Kurzum: Rusalka hat die Schnauze voll und will zum Wassermann zurück; zuvor zertrümmert sie den Prinzen-Fiat, und sie kann auch wieder sprechen... Und mit einem Baustrahler bewaffnet, den sie noch von ihrer Müllbegegnung mit der Pennerinnenhexe "rettete", wandelt sie irrlichternd über die Drehbühne, wo sie der reuevolle Prinz zurückerobern will; sie warnt ihn, dass er sie möglichst nicht küssen solle, weil - - gesagt, getan; er tut es trotzdem, und sie tut ihn umgehend mit einer Plasteplane, ihrem alten Hochzeitskleid, zweifach hintereinander tot-ersticken. Und sie triumphiert wie nie zuvor in ihrem feuchten Nixenleben; und das war's auch schon.

Srba Dinić hat dirigiert - man merkt nicht, dass es eine reduzierte Fassung ist, also das Staatsorchester Braunschweig klingt, unterm Kopfhörer gehört, satt-warm.

Vom sängerischen Personal her sollen insbesondere Jeon mit seinem unhektisch-wohlklingenden Tenor und auch die höhensichere, obgleich an manchen Stellen allzu kräftig aussingende Adams angezeigt sein.

Nicht verpassen, nein; es lohnt sich.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 04.03.2021.]

RUSALKA (Staatstheater Braunschweig, 05.03.2021)
Fassung für reduziertes Orchester von Marián Lejava

Musikalische Leitung: Srba Dinić
Regie: Dirk Schmeding
Bühne: Ralf Käselau
Kostüme: Julia Rösler
Video: Johannes Kulz
Licht: Katharina Möller
Chor: Georg Menskes
Dramaturgie: Theresa Steinacker
Besetzung:
Rusalka ... Julie Adams
Prinz ... Kwonsoo Jeon
Wassermann ... Jisang Ryu
Fremde Fürstin ... Ekaterina Kudryavtseva
Ježibaba ... Edna Prochnik
Küchenjunge ... Milda Tubelytė
Heger ... Maximilian Krummen
Erste Waldelfe ... Jelena Banković
Zweite Waldelfe ... Isabel Stüber Malagamba
Dritte Waldelfe ... Zhenyi Hou
Chor des Staatstheaters Braunschweig
Staatsorchester Braunschweig
Online-Premiere: 5. März 2021
Vorab-Stream v. 03.03.2021 auf YouTube

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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