SERGE mit dem Solistenensemble Kaleidoskop

Musiktheater Luigi De Angelis und Michael Rauter ersannen ein Stück über den russischen Ballett-Mäzen Sergei Pawlowitsch Djagilew (1872-1929)

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Das Musiktheater SERGE meint Diaghilev:

Sergei Pawlowitsch Djagilew (1872-1929), der bei Nowgorod geborene und in Venedig gestorbene Herausgeber, Kunstkritiker, Kurator und Impressario "vermittelte" russische Kunst der Jahrhundertwende in den Westen.

"Seine größte bleibende Leistung erbrachte Djagilew im Bereich des Balletts. 1909 stellte er aus den besten Tänzerinnen und Tänzern des Landes das Ensemble Ballets Russes zusammen. Dieses bereiste große Teile der Welt und machte das russische Ballett bekannt. Nach der Oktoberrevolution blieben Djagilew und das Ensemble im Ausland." (Quelle: Wikipedia)

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Wie stellt man einen Kunstmäzen (will sagen einen Geld- und Machtmenschen) "im Hintergrund" nach vorn ins Rampenlicht, wohin er aber eigentlich, weil er ja (mittels Geld & Macht) sein Mäzenatentum - zugunsten der von ihm Begünstigten "im Vordergrund" - "von hinten her" verübt, im herkömmlichen Sinne nicht gehörte?

Marco Cavalcoli (als personifizierter SERGE mit schwarzem Frack, Blume im Knopfloch, Stock mit Silberknauf und vornehmem Zylinder) hat dann wenigstens so zirka 10 Minuten lang die nur mit einem Flügel in der Mitte mobilarisierte Bühne hundertpro für sich. Er setzt sich an das respektable Ding und holt paar Utensilien hevor, die ihn auch als Klavierstimmer (im Zweitberuf?) erkennen lassen. Und dann klimpert er was auf den Tasten rum, manipuliert auch an der einen oder andern Saite außerhalb der Klaviatur und wartet seinen unbeholf'nen Soloauftritt weiter ab...

Derweil schweben an Seilen und der Reihe nach zwei Violinen und zwei Bratschen und zwei Celli und ein Kontrabass von oben 'rab.

Dann treten alle sieben Mitglieder des Solistenensembles Kaleidoskop (5 Frauen und 2 Männer; Namen s.u.), denen selbstverständlich die herabgeschwebten Klein- und Großgeigen gehören, auf. Sie sind in Kimonos gehüllt, laufen auf Korkpantinen, ihre Nägel sind lackiert und die Gesichter auffällig geschminkt - ein Hauch von Nō-Theater ist erahnbar; doch der Wind geht flau, und außerdem spielen 5 Frauen mit, und ihre darstellende Dominanz scheint völlig unstrittig.

Nach einem anfänglichen Körper- und Gesichtsmuskel-Warm-Up fangen sie alle - jede(r) dann auf seinem/ihrem Instrument - zu musizieren an: 70 Minuten lang. Dabei wird auch geschluchzt, gestöhnt, gelacht, geweint...

Zu hören ist v.a. aber eine von Michael Rauter in Noten gegossene "Version von Claude Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune, das als Kontinuum fungiert, aus dem sich weitere Musik herausschält"; paar Mal blitzt die orgiastisch aufstampfende Stelle aus Strawinskys Sacre auf.

Und unser SERGE tut von dem ganzen Rand- und Um-ihn-rund-herum-Geschehen obsessiv verzückt, wirkt also irgendwie "zufrieden" mit dem Allen, was er (durch sein Geld und seine Macht) so angezettelt hat - könnte man meinen.

Gelten die in so performativen Angelegenheiten glaubwürdig versierten Mitglieder des hochgenialen Solistenensembles Kaleidoskop - lt. dem gemeinsamen Konzept von Luigi De Angelis (Regie, Licht, Bühne) & Michael Rauter - als altermativ behandelbare Musiker- statt Tänzerspezies? oder weshalb "müssen" sie, außer zu musizieren, sich mit Körper- und Gesichtsmuskeleinlagen produzieren?? hätte das womöglich dieser SERGE von ihnen abverlangen wollen (ehe er womöglich Geld & Macht zu ihren Gunsten investierte)???

Fragen über Fragen.

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Nein, konnte mir letztlich keinen echten Reim aus der Geschichte machen - lag bestimmt an mir.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 18.11.2018.]

SERGE (Radialsystem Berlin, 17.11.2018)
Konzept: Luigi De Angelis und Michael Rauter
Regie, Licht und Bühne: Luigi De Angelis
Musikalische Leitung: Michael Rauter
Sounddesign und Ton: Johann Günther und Hubert Westkemper
Kostüm: Chiara Lagani
Musik: Michael Rauter, inspiriert von und basierend auf Auszügen aus:
- Claude Debussy, Prélude de l’après-midi d’une faune
- Maurice Ravel, Daphnis & Chloé
- Erik Satie, Parade
Marco Cavalcoli, Performer
Solistenensemble Kaleidoskop:
Mari Sawada und Paul Valikoski, Violine
Ildiko Ludwig und Yodfat Miron, Viola
Michael Rauter und Ulrike Ruf, Violoncello
Clara Gervais, Kontrabass
Premiere war am 17. November 2018.
Weiterer Berlin-Termin: 18.11.2018
Romaeuropa-Festival: 20./21.11.2018
Ein Projekt von Solistenensemble Kaleidoskop und Fanny & Alexander

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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