THE FADING OF THE MARVELOUS (im HAU2)

Tanz im August Catherine Gaudet ließ fünf nur mit sich selbst beschäftigende Menschen in der Reihe antreten, zunächst

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Seit gestern Abend läuft - zum 31. Mal - das internationale Festival TANZ IM AUGUST. Es zählt zu den bedeutendsten und größten Events seiner Art (nicht nur) im europäischen Maßstab. Bis Monatsende wird es ca. 70 Aufführungen resp. 31 Produktionen in den drei Spielstätten vom HAU Hebbel am Ufer, in den Sophiensaelen, im Radialsystem, in der Volksbühne, im DT und in weiteren Berliner "Lokalitäten" zu erleben geben. Über 160 Mitwirkende aus 15 Ländern werden tanzen und performen, und sie werden sieben Uraufführungen und 18 Deutschlandpremieren zeigen. Einer der diesjährigen Festivalhöhepunkte ist die große Werkschau RE-Perspective Deborah Hay: Works from 1968 to the Present, außerdem wird an drei Abenden dem 100. Geburtstag des US-amerikanischen Choreografen Merce Cunningham mit dem CCN – Ballet de Lorraine und dem Berliner DANCE ON ENSEMBLE gedacht, und es finden Uraufführungen von Eszter Salamon in der St. ElisabethKirche und Jérôme Bel im Deutschen Theater Berlin statt...

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Wir eröffneten das Festival für uns mit Catherine Gaudets Fünf-Personen-Stück The Fading of the Marvelous (dt.:Das Verblassen des Wunderbaren):

Zu dem (annähernd bis zum Schluss der ca. 50 Minuten währenden Performance) immergleichen Rhythmus der von Antoine Berthiaume zusammengemixten endlosschleifigen Musik agieren Dany Desjardins, Caroline Gravel, Leïla Mailly, James Phillips und Simon Renaud.

Am Anfang schreiten sie als Reihe und mit kleinen Schritten "zu uns vor"; wohl nichts Besonderes, vermeint man erst mal anzunehmen - bis bemerkbar wird, dass allesamt ja ihre Augen fest verschlossen haben und sich ihre stellenweise unsynchrone Schritt-Synchronität nur so erklären ließ... Nach einer ziemlich spannend anmutenden Weile (sind die Fünf in einer temporären Trance oder tun sie womöglich eine solche simulieren?) gehen sie so nach und nach "auf Sicht", und wieder ist man sich sofort als ihr Betrachter überhaupt nicht sicher, ob sie wirklich in den Raum vor sich oder vielmehr in sich hinein, quasi ins Leere, blicken; beides wird vermutlich stimmen...

Die verhaltens- und bewegungsinhärente Progression des (dramaturgisch gesehen:) handlungslosen Vorgangs variiert in einer mehr oder weniger erwartbar gewesenen, jedoch umso abrupteren und also überraschenden Entwicklung - am abruptesten und überraschendsten vielleicht das aus den fünf PerformerInnen ausgeschrieene Baby- und Kleinkindergeschrei. Ja und nach endgültiger Voneinanderlösung aus der ursprünglichen Reihe fallen individual "gedachte" Interaktionen (mit zwei Walzer-Paaren, beispielsweise) sowie choreografische Plateaus [s. Foto] ins Auge.

Wie sie da so stehen, schreien oder sich bewegen, stellt man als Betrachter "Ähnlichkeiten" an und bei sich selber fest; wer gern allein und ungestört mit seinem Spiegelbild kommuniziert, verfällt mitunter in so ähnlich sich verlautbarende Monologsituationen.

Großartig gemacht!

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 10.08.2019.]

The Fading of the Marvelous (HAU2, 09.08.2019)
Choreografie: Catherine Gaudet
Mit: Dany Desjardins, Caroline Gravel, Leïla Mailly, James Phillips und Simon Renaud
Musik: Antoine Berthiaume
Assistenz Dramaturgie & Probenleitung: Sophie Michaud
Licht: Alexandre Pilon-Guay
Performancepraktikum: Marie-Philippe Santerre
Kostüm: Max-Otto Fauteau
Technische Leitung: Olivier Chopinet
Gastspiel beim Festival TANZ IM AUGUST

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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